Alicja Kwade - "Schwere Leichtigkeit"
Konzept: Alicja Kwades Schwere Leichtigkeit kreiert sowohl einen Ruhepol als auch einen Ort der Begegnung zwischen erkrankten und gesunden Menschen und kontextualisiert den Habitus des Bundswehrkrankenhauses Ulm auf sensible Art und Weise. In allen fünf, für die Kunst freigegebenen, Innenhöfen sollen skulpturale Ensemble entstehen, die Natursteine aus der Region in verschiedenen Größen mit aus Bronze gegossenen Stühlen auf spielerische Weise kombinieren. Im Zuge der Erneuerung des Gebäudes sollen Betrachtung und Interaktion miteinander changieren. Steinblöcke haben ein enormes Gewicht und gelten als rohes, festes und unbewegliches Material. Auf den ersten Blick abweisend, sind sie doch viel mehr als nur unbelebte Materie. Steine strahlen Stärke aus und stehen für Widerstandsfähigkeit, aber auch für Ruhe. Schon in der Antike sagte man Steinen eine medizinische Komponente nach. Die Überzeugung vieler Römer von den besonderen Eigen-schaften bestimmter Steine basierte auf ihrem Glauben an unsichtbare Zusammenhänge zwischen Natur und Mensch. Zur selben Zeit versuchten Künstler wie Pygmalion ihren Skulpturen Leben und Atem einzuhauchen. Im 20. Jahrhundert wurde der Stein zum Hauptakteur einer bildhauerischen Ausdrucksform erhoben. Auguste Rodin, der Wegbereiter der Moderne, spricht dem Stein eine transformatorische Quelle zu, indem unbelebtes Material lebendig erscheinen soll.
Kwades gewichtige Stühle variieren in ihrer Form und ihrer Patina und Farbigkeit und bilden eine humorvolle Verbindungslinie zu den Steinskulpturen. So begegnen wir Stühlen, die mit Findlingen zu einer figurativen Darstellung verschmelzen, als auch solchen, die ihr Gleichgewicht in einer monumentalen Vertikale finden. Andere stehen im direkten Dialog mit einem imposanten Findling und umarmen den Liegenden förmlich, um eine Art Geborgenheit zu suggerieren. Im öffentlich zugänglichen Innenhof laden sie zum Sitzen und Verweilen ein und lassen Patienten, Mitarbeiter und Besucher gleichermaßen zur Ruhe kommen. Auf diese Weise sollen Steine und Stühle unterschiedlich miteinander arrangiert werden, um stets neue Möglichkeiten der Interpretation zu eröffnen.
Alicja Kwades Ensemble bedient sich der Kulturgeschichte und verweist darauf, dass Stein sowohl in der Kunst- als auch in der Medizingeschichte viel mehr bedeutet als ein unbelebtes Material. Mit einem künstlerischen Blick auf die kulturgeschichtlichen Weichen der Medizin und Kunst forciert Schwere Leichtigkeit somit eine Lebenslinie zwischen Natur und Mensch.
Beurteilung durch das Preisgericht:
Das Konzept und die kraftvolle Ästhetik überzeugt die Jury. Die Kompositionen aus dem Stuhlmotiv und den kontrastierenden, wuchtigen Steinen wecken verschiedenste Assoziationen und erzeugen eine schöne Balance. Durch den Alltagsbezug der Stühle mit der überraschenden Verbindung der Steine wird der Betrachter sehr gut an die Kunst herangeführt und zum Nachdenken gebracht. Die normalen Gesetze werden auf den Kopf gestellt – eine sehr gut zum Krankenhaus passende Semantik, sensibel und humorvoll zugleich. Der Bezug zur Architektur der Höfe wird als nicht überzeugend angesehen. Die Wirkung ist für einige Jurymitglieder zu schwach für die Höfe.