Bundesanstalt für Immobilienaufgaben

Antje Schiffers & Thomas Sprenger - "Und Frieden liegt im stillen Fern "

Konzept:

Und Frieden liegt im stillen Fern.

In einem langen Band zieht sich eine Folge von Zeichnungen entlang der Magistrale. Wie in einer Kamerafahrt gehen Berge, Betriebe, Wohnhäuser, Solardächer, technische Anlagen und Wälder in einander über, mal nah, mal fern. In diesem Film verschieben sich manchmal die Bilder gegeneinander, überlagern sich, stauchen sich.

Wer das Ministerium durch den Besuchereingang betritt, findet sich in der Cafeteria und einem Gebirgszug gegenüber. Neben der Garderobe ein Mehrfamilienhaus, fast ein Muster aus Fenstern und Balkonen. Ein moderner Agrarbetrieb mit seinen Silos schiebt sich gegen Hallen mit Photovoltaikpaneelen, sie geraten in Schieflage, sie kollidieren mit einem Zementwerk mit seinen Kaminen und Filteranlagen. Eine Birke wächst ins Bild, als Pionierpflanze wächst sie dort, wo eben noch Brache war. Stille. Ein Nutzwald.

Wer von der Nordseite kommt, geht zuerst am Nutzwald vorbei, er staucht sich in einer Nische; dann freier Himmel, ein leichter Wind fährt in die Birke. Die Birke überlagert die Zementproduktion, vielleicht eine Ausgleichsmaßnahme, am Zementwerk staut sich die
Halle …

An einigen Stellen sieht es aus, als sei unser Film geflickt. In der japanischen Tradititon des Kintsugi wird die Reparatur zerbrochener Keramik nicht versteckt, sondern sichtbar gemacht, gern unter Verwendung von Gold. Wir stellen uns vor, auch die Bilder unseres Magistralenfilms seien beschädigt gewesen und mussten repariert werden. Wir nehmen die Formen von Trocknungs- und Setzungsrissen auf, Rissen im Mauerwerk und Rissen im trockenen Boden. Risse entstehen, wo es Spannung gibt.

Das, was die Zeichnungen unseres Films zeigen, die Wirklichkeiten, auf die sie verweisen, stehen in immer neuen Spannungsverhältnissen zueinander. Wohnen und Produzieren, Landwirtschaft und Natur, Industrie und Individuum, ständig müssen die Verhältnisse neu verhandelt und gestaltet werden. Prioritäten verschieben sich, neue Themen werden wichtig, Visionen stoßen auf Widerstand, werden überlagert, etwas Neues entsteht.

Das Band der ineinander verhakten Zeichnungen, ihr Rhythmus von Enge und Entspannung, ihre Beschädigungen und Reparaturen sehen wir in einer komplexen, verspielten Analogie zur Arbeit des BMUV.

Auf der Suche nach einem Titel für unseren Entwurf haben wir die KI nach Stellen in der Lyrik der Romantik gefragt, die Spannung, Veränderung, Unruhe und Schönheit vereinen. Und Frieden liegt im stillen Fern. lautete eine der Gedichtzeilen, zugeschrieben Novalis´ Hymnen an die Nacht. Wir waren misstrauisch, und tatsächlich ist diese Zeile ein Werk der KI. Uns gefällt, wie sie die Sehnsucht nach Heilung und Frieden in den Beziehungen von Mensch und Natur benennt, irgendwo am Horizont.

Unser Wandbild zieht sich über sämtliche Holztafeln der Magistrale. Dafür wird die bauseitig vorgesehene, mit Weißtanne furnierte Calciumsulfatplatte zunächst unlackiert montiert. Anschließend wird vor Ort auf die gesamte Holzfläche (ohne Türen, Türrahmen etc.) mit dem Pinsel matt transparent grundiert. Auf diese Schicht kommt die Vorzeichnung, die mit Hilfe eines Rasters mit der Hand ausgeführt wird. Die eigentliche Malerei besteht aus zwei Teilen, den Zeichnungen in einem leicht abgetönten Schwarzton und der traditionell farbigen Untermalung der zu vergoldenden Flächen innerhalb der Linien. Vor der Vergoldung wird die gesamte Fläche wieder mit einer matten transparenten Firnisschicht überzogen, mit dem Pinsel. Für alle Schichten verwenden wir Produkte der Firma Lascaux, Acryl Studio und matt/seidenglänzenden Transparentlack auf Acrylbasis, alle Farben sind wasserbasiert.

Abschließend vergolden wir die farbig untermalten Flächen mit 23,75 Karat Rosenoble Doppelgold, als Klebemittel verwenden wir das Kölner Instacoll System. Das Gold der Firma Noris-Blattgold wird ausschließlich aus konfliktfreiem und recyceltem Gold hergestellt, zertifiziert nach dem LBMA-Standard.

Farbaufbau und Vergoldung sind langfristig erprobt, das Wandgemälde ist haltbar und farbecht.

Beurteilung durch das Preisgericht:

Die Arbeit „Und Frieden liegt im stillen Fern.“ nutzt den gesamten Bereich der Magistrale und betont durch den filmischen Charakter der Wandzeichnung die Magistrale als verbindendes Element des neuen Erweiterungsgebäudes. Einer Kamerafahrt gleich wechseln sich Wohngebiete, technische Anlagen und Produktionsstandorte aus unterschiedlichen Blickwinkeln ab. Das in leicht abgetöntem Schwarzton gezeichnete Wandbild deutet mit seinen Assoziationen vielfältige Spannungsfelder an, die die Arbeit des Ministeriums berühren. Die Dichte und Weite der Themen wird neben der Motivik auch durch die zeichnerisch-formalen Umsetzungen (die Stauchungen und Dehnungen) aufgegriffen, die das filmische Kontinuum künstlerisch brechen. Eine weitere Irritation entsteht durch die Risse, die formal und symbolisch als Aufreißen der Wirklichkeiten (u.a. auch der Kontexte des Ministeriums) und als disruptive Momente unserer Menschheitsgeschichte gelesen werden können. Durch das Überlagern der Bildwelten mit den abstrakten Rissen entsteht ein weiterer offener Gedankenraum. In Anlehnung an die japanische Tradition des Kintsugi sollen die Risse mit Gold markiert werden, so dass diese symbolisch angedeutete behutsame Reparatur neben einer hoffnungsvollen Komponente auch eine explizit handwerkliche Qualität aufweist. Die graphische Fülle definiert den gesamten Raum, der so dazu auffordert, die Magistrale in Gänze zu erfahren. Aufgrund des Detailreichtums und der Goldeinschlüsse entstehen Momente, die zum Innehalten einladen.

Antje Schiffers & Thomas Sprenger "Und Frieden liegt im stillen Fern"

Visualisierung: Antje Schiffers & Thomas Sprenger