Bastian Muhr – "Stadt, Land, Fluss"

Konzept: Mit dem vorliegenden Entwurf wird eine Wandgestaltung der Zimmer in einer Etage des Unterkunftsbereiches der BFA vorgeschlagen (Arbeitsbereich 7). Alle 31 Zimmer sowie der Küchenbereich sollen mit einer künstlerisch gestalteten Mustertapete ausgestattet werden. Die Gestaltung der Tapete erfolgt für jedes Zimmer individuell und thematisiert auf humorvolle Weise Klischees und Attribute rund um die Bundesrepublik Deutschland.

Arbeit
Der Unterkunftsbereich der BFA gliedert sich pro Etage in 31 Zimmer von je ca. 15qm Größe. Sie erlauben die vorübergehende Unterbringung von Steuerbeamt:innen während Fortbildungsaufenthalten in Berlin. Neben den Zimmern steht außerdem eine kleine Gemeinschaftsküche zur Verfügung, in der sich die Übernachtungsgäste treffen und austauschen können.

In den Unterkunftsräumen soll jeweils eine große Wand (ca. 19qm Wandfläche je nach Raum) durch eine Mustertapete gestaltet werden. Die jeweiligen Muster setzen sich zusammen aus einem ca. 10cm x 10cm großen Motiv, das wiederholt wird bis die Wandfläche vollständig gefüllt ist. Die Motive selbst stellen auf humorvolle Weise Klischees oder klischeehafte Attribute der Bundesrepublik Deutschland dar. Sie sind durch sehr reduzierte Linienzeichnungen gestaltet. Für jeden Raum ist die Gestaltung mit einem individuellen Motiv vorgesehen. Damit werden insgesamt 31 unterschiedliche Mustertapeten benötigt.

Die Motivauswahl erfolgte nach einer anfänglichen Recherchephase, in der Bilder gesucht wurden, die Deutschland oder das Leben in Deutschland wiedergeben. Der Versuch, Symbole oder Bilder für ein Land zu finden, führt unweigerlich dazu, dass man sich mit Klischees konfrontiert sieht. Dennoch steckt auch in diesen auf den ersten Blick platten Illustrationen öfter ein wahrer Kern, der vielleicht etwas über das Land, in dem wir leben, aussagen kann. Die Motive beinhalten eine bunte Mischung aus Bildern von historischen Ereignissen, topografischen Gegebenheiten, traditionellen Bräuchen, Kleidern und Lebensmitteln sowie von außen wahrgenommenen gesellschaftlichen Attributen.

Die Motive stellen eine Möglichkeit dar sich mit vorgefertigten Bildern von Deutschland auseinanderzusetzen. Im Prinzip wird hier die Frage nach der Identität Deutschlands gestellt. Den Betrachter:innen ist es selbst überlassen, ob sie die Motive als selbstverständlich mit Deutschland verbunden annehmen oder den präsentierten Bildern eher kritisch gegenüberstehen.

Da die Gestaltung der Tapete durch ein sich wiederholendes Muster definiert ist, beeinträchtigt es die Arbeit nicht, wenn Möbel, Bilder oder andere Einrichtungsgegenstände die Wand teilweise verdecken.

Die Größe und formale Reduktion der Motive sind so gewählt, dass ihre Bedeutung bei der ersten Betrachtung nicht sofort augenscheinlich wird. Die Gestaltung kann auf den ersten Blick vielleicht auch als einfache abstrakte Musterung der Wandfläche gedeutet werden. Die Zimmer sollen durch die Gestaltung nichts von ihrer Wohnlichkeit verlieren. Im besten Fall wird erst auf den zweiten oder dritten Blick die Bedeutung der Motive ablesbarer.

Ort
Die Entscheidung, die Kunst in die Zimmer und damit in das vorübergehend private Umfeld der Beamt:innen zu bringen, stellt eine Besonderheit dieses Vorschlages dar. Die Auseinandersetzung mit den künstlerisch gestalteten Tapeten wird damit sehr persönlich und individuell. Die Bewohner:innen der Zimmer haben die Möglichkeit sich abseits von ausgewiesenen öffentlichen Kunststandorten wie Galerien oder Museen intensiv und über einen längeren Zeitraum mit einer künstlerischen Arbeit zu beschäftigen. Jede Person ist in ihrem Zimmer mit einer anderen Gestaltung konfrontiert und weiß nicht, in welcher Art und Weise die anderen Zimmer gestaltet sind. Erst im Austausch zwischen den einzelnen Personen setzt sich ein Gesamtbild zusammen.

Obwohl der Markt für Kunstwerke boomt, ist die Möglichkeit einer Kunsterfahrung im privaten Raum meist nur einer kleinen Elite von vermögenden Käufer:innen vorbehalten. Die meisten Menschen müssen sich in Museen, Ausstellungshäuser oder andere öffentlich zugängliche Kulturinstitutionen begeben, um sich mit zeitgenössischer Kunst zu beschäftigen. Der vorliegende Vorschlag zielt darauf ab, eine Kunsterfahrung im (vorübergehend) privaten Umfeld zu ermöglichen.

Als Kontrast zu den individuell gestalteten Tapeten in den geschlossenen Zimmern werden im öffentlichen Küchenbereich alle verwendeten Motive zusammengeführt und randomisiert in einer Einzeltapete kombiniert. In dem Bereich, wo die Beamt:innen die Möglichkeit haben sich zu treffen, ergibt sich somit auch die Möglichkeit des Austausches über die Kunst in den Zimmern. Besucher:innen der Akademie können hier Musterelemente „ihrer“ Wandgestaltung wiederentdecken und sich mit ihren Kolleg:innen über die Motive der einzelnen Zimmer unterhalten. Die Funktion des Küchenbereiches als Raum für Austausch und Kommunikation wird damit unterstrichen.


Beurteilung durch das Preisgericht:

Die diskrete Arbeit schafft eine wohnliche Atmosphäre. Mit einer Leichtigkeit wird der Raum besetzt. Die Tapete, die langsam eine Renaissance erfährt, bildet hier flächendeckend ruhige ornamentale Muster, die durch treffende und humorvolle Motive erzeugt werden. Die Arbeit lädt mit dem spielerischen Duktus im einfachen schwarz und weiss, der an Comics erinnert, zum Diskurs ein.