Benjamin Badock – "Von uns für uns"

Konzept: Wer künftig in der Kantine der Bundesfinanzakademie sitzt, dessen Blick mag durch die Panoramafenster schweifen oder auf einem von vier wandfüllenden Mosaiken ruhen. Und vielleicht wird er/sie sich hin und wieder erstaunt fragen; läuft da draußen nicht gerade eine Person, die eben noch zur Gruppe auf dem Mosaik gehörte? Die Mosaiken auf Wand 1 und 2 zeigen eine Szenerie, die sich so in  Berlin und vielen deutschen Städten und Gemeinden abspielen könnte. Zu sehen sind Personen quer durch alle Gesellschaftsschichten, die ihrem Alltag nachgehen. Es sind vertraute Typen, möglicherweise erinnern sie die Nutzer:innen der Kantine an Begegnungen mit Menschen in ihrer Heimat. So läd das Wandbild ein zu spekulieren. Welche Hinweise geben Kleidung, Haltung, Frisur usw. ... Wer ist hier dargestellt? Wie ist die Beziehung der Dargestellten zueinander. An wen denken wir, wenn wir die Person mit der Aktenmappe, den Richter und all die anderen sehen. Auf den Wänden 3 und 4 (Ausgabebereich) ist eine Küchensituation zu sehen, die das Geschehen in der Kantine bzw. hinter dieser Wand reflektiert. Mein Entwurf steht in Beziehung zu den Arbeiten von Max Lingner und Wolfgang Rüppels und erweitert deren Ensemble um einen zeitgenössischen Blick. In Bezug auf Farbigkeit und Technik gibt es Parallelen zum Wandfries von Max Lingner. Auch hier kommen Fliesen zu Einsatz, jedoch ohne das dabei die „Hand des Künstlers“ sichtbar wird. Stattdessen nutze ich industriell hergestellte Kacheln in leuchtenden Farben, die mit Wasserstrahltechnik in Form gebracht werden. Der Entwurf greift zudem formal ein Motiv aus der Arbeit Wolfgang Rüppels auf. Hier wie dort sind Menschen nebeneinander als Halbfigur dargestellt. In der Referenz zu beiden Arbeiten ist mein Wandbild als Bestandsaufnahme zu lesen – Wo befinden wir uns als Gesellschaft, wo wollen wir hin? – ohne jedoch darauf eine programmatische Antwort zu geben. Die ungewöhnlich starke wie warme Farbigkeit des Wandbildes ist eine bewusste Setzung für diesen Ort der Nahrungsaufnahme. Sie bietet im sonst reduzierten Gebäude visuelle Nahrung mit belebender Wirkung in Frühstücks- und Mittagspause, eine Abschweifung ganz ohne Smartphone oder Tablett. Die Farbigkeit und das vertraut wirkende Personal schafft Vertrauen und somit eine Atmosphäre, die die Kantine als lebendigen Treffpunkt für gemeinsame Essen und informellen Austausch auszeichnet. Aus geringer Entfernung erscheint die Gestaltung wie ein großzügiges Nebeneinander verschiedener Farbflächen, erst aus größerer Distanz wird das Gesamtbild erkennbar. Während das Wandbild aus der Nähe ruhend wirkt, erweckt es von Ferne einen dynamischen Eindruck, der durch die Farbigkeit noch unterstrichen wird. Aufgrund von Position, Größe und Leuchtkraft kann besonders die Stadtszene auf Wand 2 auch von den Passanten auf der Straße wahrgenommen werden. Mein Entwurf für den Ausgabebereich (wand 3 & 4) ist noch flexibel und kann an die endgültige architektonische Gestaltung des Raumes angepaßt werden. Er trägt somit dem Umstand Rechnung, das der Grundriss für diesen Bereich bereits mehrfach geändert wurde. Von uns – für uns ist eine Referenz an den Auftraggeber demokratiestaatlichen Handels. Von jedem von uns stammen die zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen des Staates, dessen Aufgabe es ist, diese Mittel für unser aller Bestes zu verteilten und einzusetzen.     


Beurteilung durch das Preisgericht:

Spielerisch und leicht erscheint die Arbeit mit ihrem Optimismus für die Gemeinschaft und erinnert damit an die 70er Jahre. Die Arbeit strahlt mit dem im Wortsinn positiven »Ja«, dem blauen Himmel, den Menschen, dem Leben in der Küche, Fröhlichkeit und Freude aus. Die besondere Stärke des Entwurfs ist es, ein Maximum an Gestaltungsmöglichkeiten mit einer Standardfliese herauszuarbeiten. Die direkte Beziehung zum Wandbild von Max Lingner am Detlev-Rohwedder-Haus aus dem Jahr 1953 ist direkt und unmittelbar.