Birgit Schuh - "AUFDECKEN"

Konzept: Die für Kunst am Bau ausgewiesene Fläche wird als zusammenhängende Grünfläche gestaltet, indem die bisher geplante Wegeführung leicht verändert wird: Der den Rasen teilende Weg wird nach Süden zu den Parkplätzen hin verschoben; so entsteht eine rechteckige und durchgängige Wiese, eingefasst durch Fußwege und Bestandsgebäude.

Im nördlichen Bereich wird zwischen dem von Nord nach Süd verlaufenden Weg und dem östlich davon gelegenen Altbau ein verzinkter Mast mit rund drei Metern Höhe errichtet. Er könnte dem Kontext eines Baugerüsts oder einer Verkehrsbeschilderung entstammen, erinnert aber vielleicht durch den Hafenkontext auch an einen Schiffsmast. An dessen oberen Bereich ist eine großformatige Plane befestigt, die bis zum Boden herabreicht; sie türmt sich zu verschiedenartigen Faltungen auf. Die obere Seite der Folie ist weiß, ihre Unterseite ist schwarz. In einigen Bereichen ist sie so verdreht, dass die schwarze Fläche nach oben kommt. Es bleibt unklar, ob die Plane etwas verdeckt oder einfach nur von einer Baumaßnahme zurückgeblieben ist. Auch Assoziationen an ein Segeltuch oder ein Zelt liegen nahe.

Die fragil und vorläufig erscheinende skulpturale Intervention, bei der sich ein zweidimensionales Material zum räumlichen Gebilde aufwirft, ist aus glasfaserverstärktem Kunststoff gefertigt. Das Erscheinungsbild der zeltartigen Konstruktion wirkt veränderbar und erweitert so die kompakte Wirkung der Baukörper des Zollamts um eine mobile Variante von Behausung.

Die Aufgaben des Hauptzollamts Oldenburg/Dienstsitz Emden liegen vor allem im Bereich der Kontrolle und Ahndung von Schwarzarbeit.

Die für die künstlerische Gestaltung verwendeten Materialien - Metall und Plane - sind vor allem aus dem Baugewerbe bekannt. Die Folie oder Bauplane wird einerseits zum Schutz, andererseits zur Abdeckung verwendet – und schafft somit auch ein Sinnbild für die Tätigkeiten des Hauptzollamts: Schutz der Sozialsysteme und Aufdeckung von Missständen. Das helle Weiß der von weitem sichtbaren Oberfläche steht in starkem Kontrast zur eher verborgenen, dunklen Unterseite. Zugleich bleibt das Verhältnis dieser beiden Pole ambivalent und sie stehen in Wechselwirkung zueinander.

Durch das große Format und die erstarrte Ausführung in einem festen Material entsteht jedoch noch ein weiterer Bezug, nämlich der zur Landschaft: „,Faltung“ nennt sich der geologische Prozess der vor Millionen Jahren die tektonische Verschiebung, das Aufeinanderprallen und nach oben drücken von Erdmassen kennzeichnet.

Die Faltung des Materials wird so ausgebildet, dass verschiedene Bereiche als unkonventionelle Sitzgelegenheiten genutzt werden können. Die Reduktion auf grafisches Schwarz-Weiß hebt sich deutlich vom Umraum und der Grünfläche ab und vermittelt zugleich zwischen Architektur von Neu- und Altbau und den markierten Parkplatzflächen. Durch die unregelmäßige Faltung entstehen vielfältige Ansichten, die dazu einladen, die Skulptur von verschiedenen Seiten zu betrachten, zu erkunden, zu benutzen und beim darauf Verweilen darüber ins Gespräch zu kommen.

Beurteilung durch das Preisgericht:

Das Preisgericht empfindet den funktionierenden Ansatz des Entwurfs reich an interessanten Assoziationen. Die Skulptur bricht mit der Architektur des Ortes. Der glasfaserverstärkte Kunststoff ist für die gebotenen Sitzmöglichkeiten gut geeignet, da er beim Sitzen nicht als kalt empfunden wird. Die Arbeit ist mutig und macht neugierig. Sie wird vom Preisgericht als ein echter »Hingucker« bewertet, selbst wenn es auch funktionale Bedenken gibt.