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Chili Seitz - "Grenzen werden Horizonte"

Konzept:
Grenzen werden Horizonte
Zur See, an Land und in der Luft.
»Die Grenze ist nicht eine räumliche Tatsache mit soziologischen Wirkungen, sondern eine soziologische Tatsache, die sich räumlich formt.« [Georg Simmel, Soziologie des Raumes, 1995, S. 133]

Idee
Die Bundepolizeiakademie in Lübeck existiert seit Anfang der 1950er Jahre, hier noch als Bundesgrenzschutz, und gilt als „Wiege der Bundespolizei“. Der folgende Entwurf greift dieses Thema als geschichtliche und ortsbezogene Referenz auf und schlägt vor, diesen zentralen Aufgabenbereich der Bundespolizei konzeptuell in die Räume einzubetten: die Veränderung des Umgangs mit (den deutschen) Grenzen und Grenzkontrollen. Die poetische Setzung “Grenzen
werden Horizonte” ist eine künstlerische Entgegnung, um die zukünftigen Bundespolizist:innen in ihrer Wiege durch Ausblicke auf abstrakte Landschaften mit kritischen und poetischen Perspektiven bei den vielfältigen Begegnung mit Grenzräumen auf ihrem Ausbildungsweg zu begleiten.

Konzept
Grenzen prägen das kollektive Bewusstsein und beeinflussen Identitäten, Zugehörigkeitsgefühle und gesellschaftliche Normen. Und damit einhergehend Konflikte, deren Prävention und deren Lösung. In diesem Kontext gewinnen soziale Interaktion, Integration und interkultureller Dialog mehr an Bedeutung als geografisch verortete Trennlinien. Sie helfen Konflikte zu vermeiden und ein harmonisches Zusammenleben in sich wandelnder geopolitischer Landschaften zu fördern. Die Fähigkeit, kulturelle Vielfalt zu akzeptieren und sich auf neue soziale Realitäten einzustellen, ist Schlüsselfaktor für den sozialen Zusammenhalt. Die Arbeit an den realen Grenzen hat sich im laufe der Zeit und der Entwicklung der Bundespolizei verändert. Die angehenden Beamt*innen
werden im Laufe ihrer Ausbildung immer wieder Aufgaben begegnen, in welchen sie selbst in einem eigenem Ermessensspielraum Entscheidungen treffen müssen. Es ist eine Herausforderung auch im Ungefähren, in Möglichkeitsräumen, eine klare Haltung einzunehmen. In der Provokation die Grenzen zu Horizonten werden zu lassen findet sich im künstlerischen Spiel mit Schärfe und Unschärfe eine bildhafte Übersetzung der nicht immer einfach und klaren Grenzziehungen im sozialen und geografischen menschlichen Miteinander wieder. Im Gegenüber mit differenzierender Schärfe erzählt die Unschärfe mehr als auf den ersten Blick augenscheinlich zu erkennen ist. Das im „Dazwischen“ — das Spiel mit der realen Umgebung und der philosophischen Übersetzung von
Grenze und Horizont — bietet einen Raum sich gedanklich und visuell mit den Herausforderungen des Aufgabengebietes auseinanderzusetzen.

Motive
Es werden zeitgenössische Fotografieren der aktuellen deutschen Grenzverläufe verwendet. Diese Fotografien sind ein Zeitdokument, welche die Veränderung der Grenzregionen heute widerspiegelt. Sämtliche Linien sind Fragmente des Verlaufs der Deutschen Grenze, die im Miteinander und in den abstrahierten Landschaften zu Horizonten werden. Die Landschafts Fotografien der aktuellen deutschen Grenzverläufe werden hierfür selbst erstellt. Die Grenzlinie
Deutschlands, die Seegrenzlinien in Ost- und Nordsee sowie Begrenzungszonen des Luftraumes. Diese zeitgenössischen Fotografien werden die Grundlage für die den Grenzlinien in der Arbeit zugrunde liegenden Bildern. Sie werden abstrahiert, künstlerisch bearbeitet und in ihrer Grenzlinienform ausgeschnitten. So entsteht ein Geflecht von unterschiedlichen Landschaftsbildern der Ränder Deutschlands.

Entwurf
Der Entwurf sieht vor die betreffenden Räume thematisch durch unscharfe, vollflächige Kompositionen aus Fotografien und abstrakten Elementen zu definieren. Um die relativ kleinen Räume mit einer künstlerischen Position nicht zu überfrachten, werden die verbleibenden Wandflächen partiell in vollflächigem Anstrich visuell ausbalanciert. Die Farbtöne sind dezent und erweitern das Spiel der Nähe und Ferne. Die digitalen Kompositionen werden als großformatige, wandfüllende Bilder in die einzelnen Räume eingebracht und sind entsprechenden Grenzart zugeordnet – zur See, Land und Leute und
in der Luft. Landschaft, Menschen, das Meer und der Luftraum werden mittels künstlerischer Unschärfe Orte des Übergangs um hier den Aspekt der Differenzierung zu unterstreichen.

Publikation
Um der Arbeit und ihrer konzeptuellen Grundlage weitere Zugänge zu ermöglichen, bietet eine ergänzende Publikation Einblicke in die Entstehung und Umsetzung der Arbeit. Text, Bild und Interviews ergänzen die Dokumentation der künstlerischen Motivgewinnung und es entsteht ein Zeitdokument in Zusammenarbeit mit der Bundepolizeiakademie in Lübeck. Die künstlerische Interpretation “Grenzen werden Horizonte” wirft somit eine offene, poetische
Perspektive auf die Herausforderungen und Veränderungen der Grenzen und ihrer Politik. Die Grenze von der Trennlinie hin zu einer unerreichbaren Ferne zu verschieben, mag zwar die physikalische Realität außer Acht lassen, allerdings entwickelt die Arbeit so ein Spektrum der kritischen Reflexion in der künstlerischen Abstraktion.

Postablage
Des weiteren wird die aktuelle Postablage im Foyer des EG im Lehrsaalgebäudes durch ein Regal neben den Getränkeautomaten ersetzt. Es gliedert sich in das künstlerische Konzept farblich ein und wird von einem Schreiner nach Vorlage eigens dafür hergestellt.

Beurteilung durch das Preisgericht:
Die wandfüllenden Kompositionen aus Fotografien sowie Fragmenten von deutschen Grenzverläufen werden als inhaltlich herausragend beurteilt. Der Vorschlag schafft für Besucher einen sichtbaren Bezug zur Bundespolizei und bietet den Nutzern die Möglichkeit der Identifikation und der Besinnung auf gemeinsame Aufgaben und Werte. Damit wird auch ein Bogen zur Ausbildung vor Ort geschlagen. Die Darstellungen verweisen auf Grenzbereiche auch im menschlichen Miteinander und thematisieren das Überschreiten von Hürden und deren Transformation auch im übertragenen Sinn. Einzelne Preisrichter kritisieren die Darstellungen als zu illustrativ und idealisierend.
Die Umsetzung wirkt modern und vorwiegend zurückhaltend. Durch die unterschiedlichen Grundfarben ergibt sich eine Orientierung im Unterkunftsgebäude. Die Raumwirkung in einigen Zimmern wird jedoch kontrovers diskutiert. Für Teile des Preisgerichts weitet die Wandgestaltung die Räumlichkeiten. Einzelne Preisrichter befürchten aber, dass die verschwommenen Motive zu viel Unruhe in die Aufenthaltsräume bringen. Im Hinblick auf die erforderliche Renovierbarkeit der Wandflächen erscheint die Umsetzung als Tapete plausibel.

Chili Seitz - "Grenzen werden Horizonte"