Florina Leinß – "Hinter Glas"
Konzept:
Grenzen sind komplexe Gebilde. In ihrer Durchlässigkeit zeigen sie eine variable Konsistenz, changierend zwischen Trennung und Verbindung. Aus diesem Spannungsverhältnis zwischen Sicherung und Offenheit erschließt sich das Konzept für die künstlerische Gestaltung der neuen Raumschießanlage der Bundespolizei in Freising.
Die Grenze des Grundstücks ist klar definiert durch eine 2,40 Meter hohe Mauer, die das Areal und die Architektur umschließt. Diese Wand dient dem Sichtschutz und der Sicherung. Sie wird gleichzeitig zum Bezugspunkt der künstlerischen Intervention: einer Hinterglasmalerei in derselben Höhe, die die vertikale Gliederung der Mauer aufgreift, platziert an der 6,90 Meter langen Wand im Foyer.
Die Malerei zeigt weiße Flächen, in fein abgestuften weiß-farbigen bis hellgrauen Nuancen. Es entsteht eine abstrakte Komposition, die sich an den Rändern und teils im Inneren in dynamischem Pinselduktus auflöst und in anderen Bereichen zu kompakten, opaken Farbflächen verdichtet. Die Technik der Hinterglasmalerei bringt es mit sich, dass gewissermaßen die vom Malenden abgewandte Seite der Malerei zur Schauseite wird. Durch die glatte Oberfläche zeigt sich eine eigentümliche Qualität: Die Übergänge der Nuancen wirken weich verwischt, beinahe entmaterialisiert und dennoch satt gesetzt. Die Komposition tarnt sich farblich vor der weißen Wand, tritt in den Hintergrund und erzeugt gleichzeitig subtile Impulse in den Raum hinein. Eine dynamische und doch stille Atmosphäre empfängt die Schulungsteilnehmer*innen nach ihren Übungen.
Die Kunst wird durch zehn Millimeter dickes Sicherheitsglas geschützt, das gleichzeitig ihr Bildträger ist. Die einzelnen Glaselemente greifen in unregelmäßiger Breite die Fugenstruktur der Betonmauer im Außenraum auf und schaffen eine Vertikalstruktur, die das Glas in seiner Dicke spürbar werden lässt. Die leichte Neigung der gelehnten und im Boden verankerten Glasplatten hebt außerdem den Raum hinter der Malerei hervor. Die Wände sind in einem Weißton passend zur Malerei gestrichen.
Auf der Vorderseite des Glases ist ein mattiertes Element eingearbeitet, das in Form und Größe einem realen Absperrband nachempfunden ist – ein unmittelbarer Bezug zum beruflichen Alltag der Nutzer*innen des Gebäudes. Die spiegelnde Oberfläche des Glases wird dadurch visuell unterbrochen und akzentuiert. So wird die Distanz zwischen Kunst und Polizeialltag nicht nur sichtbar, sondern auch produktiv gemacht: Die Welten bleiben getrennt und treten doch in einen Dialog. Glas – als Werkstoff – verkörpert diese Ambivalenz wie kaum ein anderes Material: undurchdringlich in seiner physikalischen Beschaffenheit, transparent im optischen Erleben. Es steht für Schutz und Offenheit, Fragilität und Härte, für Klarheit und für Abgrenzung.
Während der Recherche zeigte sich außerdem ein historischer Bezug der Hinterglasmalerei zur Stadt Freising, der hier nicht unerwähnt bleiben soll: Aus dem Freisinger Dom stammt eine der ältesten und kunstvollsten Hinterglasarbeiten – eine Hostienschale von 1498, bemalt von Hans Wertinger aus Landshut, die heute im Metropolitan Museum of Art in New York zu sehen ist.
Beurteilung durch das Preisgericht:
Im Entwurf von Florina Leinß wurde vor allem der schöne ästhetische Eindruck gelobt. Das Auslaufen der Farben, die zum Betrachten anregen. Die meditative Stimmung, die damit erzeugt wird. Die Farbigkeit und Reduktion des Entwurfs auf nur eine Wand wurden als zu wenig und zu zurückhaltend für
diesen Ort erachtet. In der Diskussion stand die Frage, ob es gerade für diese Situation genügt, sich auf eine eher formale Ausführung zu beschränken.
Allein das Absperrband bezieht sich auf die mögliche Realität der Bundespolizei. Als Assoziation zu einem Tatort – im Kontext mit der anstehenden Übung und
sensiblen Prüfungssituation in der Raumsschießanlage – erschien dies jedoch aus psychologischer Sicht eher kontraproduktiv. Zum pflegerischen Aufwand wurde auch hinterfragt, wie über die lange Strecke die Sauberkeit hinter den Abständen der Glasplatten am Boden gewährleistet werden könnte.

Visualisierung: Florina Leinß