Hannah Bohnen – "Freizeichnen"

Konzept: Die gestische Handlung des Unterschreibens wird zum zentralen Gegenstand dieser Arbeit. Eine Unterschrift ist eine eigenhändige, handschriftliche Namenszeichnung einer Person. Die Unterschrift wird meist dazu genutzt, eine Willenserklärung abzugeben oder etwas zu bestätigen. Sie wird besonders bei Rechtsgeschäften eingesetzt, die der schriftlichen Form bedürfen.

In Verwaltungsinstitutionen, deren Funktionieren von einer Vielzahl papiergebundener Vorgänge abhängt, gehört das Freizeichnen oder  Kommentieren mit Unterschrift zum alltäglichen Ablauf und stellt somit einen der am häufigsten vorgenommen Verwaltungsakte dar.

Für die Arbeit Freizeichnen sollen Unterschriften gesammelt- und zu stereotypen Linien, die Signaturen repräsentieren, zusammengefasst werden. Die stereotypen Paraphen werden collagenartig zusammen gesetzt. Es entstehen schwungvolle Linien, die den Raum durchdringen und den Rhythmus der Architektur kommentieren. Die klare architektonische Sprache des Gebäudes wird durch die bewegten Linien ergänzt. Der leitmotivischen Vorgabe der Architektur wird durch die gestischen Signaturen formal etwas entgegen gesetzt.

Die entstandenen Linien sollen aus transparentem Glas gefertigt und auf den Wänden des Foyers verteilt werden. Verschieden farbiges Glas wird hierzu mithilfe eines Wasserstrahlschneiders in die gewünschten Formen geschnitten. Die Arbeit verwendet ausschließlich Farben, welche in der Gemeinsamen Geschäftsordnung GGO (Anlage 2 zu § 13 Absatz 2 GGO) benannt sind. Die in der Geschäftsordnung intendierte Hierarchie der Farbcodes (Bundersminister*innen grün,  parlamentarischen Staatssekretär*innen violett, Abteillungsleitung blau usw.) ist im Zusammenhang mit dieser Arbeit ohne Bedeutung.

Die Arbeit Freizeichnen untersucht unser Verhältnis zu Bewegungen unseres Alltags. Der ephemere Moment des Signierens wird aus seiner Flüchtigkeit heraus entnommen und eingefangen. Im Prozess der Transmediation materialisiert er sich in Bewegungslinien und erhält eine Körperlichkeit.

Die Arbeit soll die Betrachtenden einladen, den Blick auf die schnelle Bewegung des Unterschreibens zu richten, innezuhalten und ihrer Erzählung zu folgen. Die abgeformten handschriftlichen Bewegungen dynamisieren den Ort und aktivieren den Blick der Betrachter*innen.

Signaturen repräsentieren unsere Person in handschriftlicher Form. Wir bestätigen unsere Identität mit den schwungvollen Linien, die wir unter Dokumente setzen und übernehmen Verantwortung. Graphologen schreiben Abhandlungen darüber, was unsere Handschriften und Signaturen über uns als Personen verraten. Eine starke und persönliche Unterschrift sollte aus einer natürlichen Handbewegung entstehen und dem eigenen Schreibfluss entsprechen. Die Linien sollten wiederholbar und eigenwillig sein. Paradoxerweise geht es um Individualität, obwohl die verschiedenen Zeichnungen sich mehr oder weniger ähneln und dabei doch ganz sie selbst bleiben. Die Handlung des Unterschreibens ist in unserem Leib gespeichert und passiert oft fast Beiläufig. Die Bewegungen entschlüpfen.

Zeitgenössische Kunst bildet einen Möglichkeitsraum, um andere Informationen und Imaginationen in das Bewusstsein zu rücken und Raum für Alternativen zu öffnen. Die Besucher*innen werden aufgefordert, den Linien zu folgen und einen neuen veränderten Blick auf die beiläufige Geste der alltäglichen Handlung des Signierens zu gewinnen.

Mit der Arbeit Freizeichnen versuche ich den unsichtbaren Moment ephemeren Handelns in Formen zu arretieren, um das abklingende und fast unmerkliche Leben der handschriftlichen Gesten zu kommunizieren. Die künstlerische Intervention dient als Erinnerung an Flüchtigkeit und verleiht Beständigkeit.


Beurteilung durch das Preisgericht:

Die plastischen Signaturen bieten den Mitarbeitenden einen Bezug zur Identifizierung mit dem Ort an. Der Raum wird durch die Intervention zum Kommunikationsraum. Die händische Geste des Freizeichnens bleibt auch in Zeiten der Digitalisierung bestehen und die Farbzuteilung der Signaturen als realer Verwaltungsakt ist interessant sowie selbsterklärend. Das Glas erzeugt interessante Oberflächeneffekte wie zum Beispiel Spiegelungen im Kontrast zur matten Oberfläche der Wand.