Hannah Bohnen - "WIND CHECK"
Konzept:
ORT
Der Erweiterungsbau der Fliegerstaffel der Bundes- und Landespolizei in Ahrensfelde, Brandenburg dient als Unterkunft und Arbeitsstätte für die Einsatzkräfte. Das nicht öffentliche Gebäude umfasst Büros, Umkleiden und Ruheräume für den 24-Stunden-Betrieb. Es vereint hohe Sicherheitsstandards mit einer klaren, reduzierten Architektursprache und verweist mit seiner silbrigen Metallfassade aus Zink-Stehfalzblechen direkt auf die hier stationierten Luftfahrzeuge.
Die angrenzenden Freiflächen, bestehend aus Betonpflaster, Wieseflächen und naturbelassenen Vegetationszonen, bilden einen Kontrast zur klar strukturierten, funktionalen Architektur des Gebäudes. Der Vorplatz des Neubaus ist zentraler Anlaufpunkt und Verteiler des Geländes. Mit der Arbeit WIND CHECK möchte ich hier einen informellen Begegnungsort schaffen, der die klare Formensprache der Architektur ergänzend kommentiert und zugleich einen Raum für Interaktion und Innehalten ermöglicht. Während das Gebäude und seine Umgebung von Effizienz und technischer Präzision geprägt sind, soll WIND CHECK einen Moment der Leichtigkeit und Bewegung einfangen – eine visuelle Übersetzung der unsichtbaren Kraft, die beim Start und Landen der Hubschrauber entsteht.
KONZEPT
Die physische Kraft und Dynamik eines startenden oder landenden Hubschraubers stehen im Mittelpunkt dieser Arbeit. Der Moment des Abhebens oder Landens ist geprägt von einer gewaltigen Luftverdrängung – eine unsichtbare, aber spürbare Kraft, die auf die Umgebung einwirkt. Ein monolithischer Tisch aus blau eingefärbtem Beton bildet das Zentrum der Arbeit. Seine massive, architektonische Klarheit verweist auf die Funktionalität des Ortes und ist eine direkte Erweiterung der vorhandenen Architektur mit einer klaren Referenz zum bestehenden Farb- und Formenkanon und den genutzten Materialien. Die strenge Geometrie des Tisches wird durch eine gegensätzliche Bewegung durchbrochen: Ein Concrete-Canvas-Tuch, das den Eindruck vermittelt, von dem Luftstrom eines startenden oder landenden Hubschraubers erfasst zu werden. Das Tuch liegt noch halb auf dem Tisch, während das andere Ende vom Wind ergriffen und vom Tisch geweht wird. Ein weiteres Stück des Tuches liegt unweit entfernt verweht auf dem Boden. Dieses industrielle Material, erstarrt hier in einer Momentaufnahme der Bewegung, entwickelt eine organische Qualität und verwandelt sich in eine leichte, textile Geste. Gezeigt wird das Aufgewirbelte, das sich gerade wieder setzt, die Stille, die auf die Unruhe folgt.
Die Materialwahl verstärkt das Spannungsfeld zwischen Schwere und Leichtigkeit, Kontrolle und Chaos, technischer Beständigkeit und flüchtiger Bewegung. Während der Tisch Beständigkeit vermittelt, verleiht die Drapierung des Concrete Canvas der Arbeit eine improvisierte Spontaneität.
Die 16 Hocker, die den Tisch umgeben, vermitteln den Eindruck, als wären sie von den starken Luftströmungen versetzt worden. Trotz ihres Gewichts von 30 Kilogramm bleiben die hohlen Elemente verschiebbar, sodass ihre Anordnung flexibel an die Nutzung angepasst werden kann. Hier entsteht ein spannungsvoller Gegensatz: Während das Material Schwere und Beständigkeit ausstrahlt, verleiht die veränderbare Platzierung der Hocker der Arbeit dynamische Leichtigkeit.
Der Vorplatz des Neubaus, als funktionaler Raum konzipiert, wird durch WIND CHECK erweitert. Die Arbeit lädt dazu ein, den Blick auf das Unsichtbare zu lenken – auf die Luftbewegungen, die den Raum prägen. Sie fordert die Betrachtenden auf, einen flüchtigen Moment neu zu erfahren, innezuhalten und sich der Schönheit einer Bewegung bewusst zu werden, die normalerweise nicht wahrgenommen wird.
Der Tisch mit einem Tischtuch ist ein vertrautes Bild von Gemütlichkeit und Beständigkeit – ein Symbol für Gemeinschaft, für den Moment des Innehaltens und der Geselligkeit. Doch in WIND CHECK wird diese Ruhe für einen Augenblick gestört: Das Tuch wird aufgewirbelt, erfasst von einer unsichtbaren Kraft, ehe es sich wieder ablegt und zur Ruhe kommt. Es ist der Moment zwischen Bewegung und Stillstand, zwischen Aufbruch und Rückkehr, der hier festgehalten wird – ein Augenblick des Aufbäumens, eingefroren in Material.
Darüber hinaus entsteht ein Ort der informellen Begegnung und des Verweilens. WIND CHECK schafft einen Raum der Reflexion innerhalb des strukturierten Alltags der hier Arbeitenden – einen Ort, der zum Innehalten, Verweilen und zum Austausch einlädt. Der Tisch bleibt als funktionales Element erhalten – ein Ort, der dem hochstrukturierten, stressigen Arbeitsumfeld der Polizei einen Gegenpol bietet.
Beurteilung durch das Preisgericht:
Der Entwurf schafft eine Möglichkeit für Gemeinschaft und bietet mit seiner Nutzbarkeit einen Freizeitmoment für unterschiedliche Situationen. Die skulpturale Qualität entsteht durch die Abstraktion und die Dimension des Tisches, der wie ein eigenständiges Architekturelement wirkt. Das Konzept hat im positiven Sinn, trotz der Materialität des Betons, etwas Beiläufiges und Spielerisches. Der Wasserabfluss auf dem Betontuch muss, auch im Winter, gewährleistet werden. Moosbildung muss verhindert werden. Das Preisgericht sieht dies technisch als lösbar an. Die starke und positive Willkommensgeste des Entwurfs wird hervorgehoben. Die Jury diskutiert aber, ob und wie der Tisch genutzt werden würde. Die Materialität und die Größe sprechen gegen bestimmte Nutzungen. Auch wird betont, dass der rückwärtige Bereich am Gebäude für gemeinschaftliche Aktivitäten zur Verfügung steht. So wäre der Tisch eher für den Empfang von Besuchergruppen attraktiv. Die Symbolik eines durch den Wind der Rotoren verwehten Tischtuchs wird hinterfragt.

Visualisierung des Entwurfs: Hannah Bohnen