Heike Weber und Walter Eul

störe meine Kreise nicht

Das Zitat von Archimedes wird mit einer poetisch assoziativen Intervention in der Magistrale und dem dazugehörigen Treppenhaus des Neubaus des BwZK in Beziehung zu den Nutzern und der Funktion des Gebäudes gebracht. Es versinnbildlicht den Zustand äußerster Konzentration und innerer Gelassenheit in einer Situation äußerer Anspannung (bei Archimedes die Bedrohung durch römische Soldaten). 

Geplant ist eine sich aufeinander beziehende zweiteilige Installation, die den Patienten, Mitarbeitern und den Besuchern des Hauses ein sinnliches Erlebnis bietet. Ein schwebender dreidimensionaler Körper und eine zweidimensionale Wandmalerei, die wie in der Barockmalerei Dreidimensionalität illusioniert. Beide Arbeiten verändern sich durch die Bewegung und dem Blickwinkel der Betrachter*innen. 

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An der Decke des Treppenhauses hängt an einem Aluminium-Cutout eine frei schwingende Kugel. Die Form der Trägerplatte folgt dem Konstruktionsprinzip der aus Dreiecken gebildeten Kugel. Diese setzt sich aus 812 einzeln aufgehängten Filterscheiben zusammen. Trotz ihrer physischen Präsenz hat sie eine spielerische Leichtigkeit. Ihr Erscheinungsbild ändert sich abhängig vom einfallenden Licht oder der Bewegung der Besucher*innen. Jedes einzelne Plättchen hängt an einem Aramidfaden. In ihrer Gesamtheit bilden sie eine offen durchdringbare Kugel-Oberfläche. Die Assoziation zur Erdkugel ist erwünscht, allerdings thematisiert der Körper nicht die Erde selbst, sondern deren Oberfläche – die Menschen, die sie bevölkern in all ihren individuellen Persönlichkeiten. Erst das perfekte Zusammenspiel bildet ein stabiles Ganzes. 

Die Wandmalerei besteht aus sich überlagernden Kreisen, deren Durchmesser exakt dem der hängenden Glasskulptur im Treppenhaus entsprechen (380 cm). Sie werden durch Auslassen dargestellt, d.h. die Kreise selbst sind nicht gemalt, sondern bleiben als Aussparung in der Wandfarbe stehen. Gemalt werden nur die Schatten. Diese bewirken den räumlich illusionistischen Eindruck. Die Schatten werden in mehreren Schichten durch sich überlagernde Punktraster (mittels dafür angefertigter Schablonen) gemalt. Die eigentliche Farbwirkung ergibt sich durch das optische Zusammenwirken der unterschiedlichen Farbpunkte. Aus der Nähe betrachtet löst sich die Malerei in präzise angeordnete Punkte auf. Die sich überschneidenden Kreise bildeten eine Wand, welche vor der eigentlichen Wand zu stehen scheint. Optisch entsteht ein Durchblick – die Barriere der Wand wird aufgelöst – eine Abgrenzung, die durchschritten werden kann. Die Kreissegmente der Wandmalerei bilden Schnittmengen und assoziieren Vereinigung, Zusammenwirken und Gemeinschaft. Sie schneiden die Wand – sie zeigen einen Ausschnitt einer die Raumgrenzen überschreitenden Gesamtheit. Die begrenzte Wahrnehmung des Menschen wird auf ein großes Ganzes verweisend relativiert. 

Das Thema des Schattens taucht auch in der Kugel auf. Mit den, sich im Licht ändernden Filterscheiben dürfen die unterschiedlichsten Individuen assoziiert werden. Die abgeschlossene Kugel wirkt mit ihren farbigen Schatten in den Raum hinein. Auf den Wänden erscheinen bunte Lichtreflexe und Schatten in deren Komplementärfarben.

Das dichroitische Glas gewinnt seine changierenden Farben – einem Brillanten vergleichbar – aus dem Licht. Dabei entstehen Farben und Farbverläufe, die sich im Wechsel der Lichtstrahlung und mit der Bewegung des Betrachters verändern.

Gemeinsam ist beiden Arbeiten, dass sie – obgleich sie mit großer Präzision ausgeführt werden müssen – eine spielerische Leichtigkeit haben, welche in das Gebäude hinein wirkt, dessen Grenzen neu zu definieren scheint. Das was es ist, scheint es nicht zu sein – es ist ein Vexierspiel mit Wahrnehmung und Realität. Schatten zeigen die Form, reflektiertes Licht bildet einen Körper. In ihrer Umkehrung erzeugen beide Arbeiten gemeinsam ein positive Ausstrahlung.