Bundesanstalt für Immobilienaufgaben

Ingo Vetter - "7 Hände gleichen Werts"

Konzept: 
Hintergrund 
Als Diego Rivera 1932 im Innenhof des Detroit Institute of Arts das Fresko „Detroit Industry“ malte, war der eigentliche Auftrag des Geldgebers Edsel Ford, die Autoproduktion in den Ford-Fabriken zu dokumentieren. Rivera indessen entwickelte über zwei Jahre ein holistisches Abbild von Industriearbeit, Abhängigkeiten, Arbeitskampf und ein Auto ist nur ganz klein an einer einzigen Stelle zu erkennen. Mein Interesse gilt den Motiven im oberen Bereich der Wände. Hier werden die Zusammenhänge internationalen Warenverkehrs abgebildet. Gezeigt werden Gummibaumplantagen, Ölfelder, Erzgruben, die für die Automobilproduktion notwendig sind. Darüber als metaphysischer Abschluss vier Figuren, die Menschheit repräsentierend. Sie greifen nach den Schätzen der Erde und bieten sie an zur Verwertung durch die Industrie. In den Studien zum Fresko sind diese Intentionen noch deutlicher zu sehen.

Vorschlag 
Die Industrie hat sich seitdem stark verändert und heute sind es mehr Dienstleistungen und Innovationen, die im Fokus stehen. Was die Hände greifen und was sie geben ist zu einem großen Teil immateriell geworden. Abstrakt, aber auch dieses Wirtschaftsgut wird durch Arbeit hergestellt und global gehandelt. Für den Campuspark schlage ich ein Kunstwerk vor, dass sich dem Wert von Arbeit widmet und diese in ein internationales Verhältnis setzt. An einer Hochschule, die sich mit Steuern und Zöllen, mit internationalen Warenverkehr und dessen Regulierung beschäftigt wird klassische Steinbildhauereiarbeit ausgestellt, die sich hauptsächlich in der Größe voneinander unterscheidet. Es sollen 7 Steinskulpturen von gebenden und nehmenden Händen entstehen. Platziert werden sie im Campuspark, vom Haupteingang bis zum Ende des Hochschulgebäudes.

Vorgehen 
Die Vorlagen für die Steinskulpturen entstanden indem ich zufällig Passanten ansprach, die an meinem Atelier vorbeiliefen und sie bat, eine gebende und eine nehmende Geste ihrer Hände abformen zu dürfen. Hierdurch entstand eine Sammlung von Handabgüssen, die sehr divers verschiedene Altersgruppen, Geschlechter oder Herkünfte abbilden. 7 Hände hiervon wählte ich aus als Modelle für eine skalierte Umsetzung als Steinskulpturen. Mit diesen wandte ich mich an Steinbildhauereibetriebe in Deutschland, Italien, Bulgarien, USA, Zimbabwe, Vietnam und China. Meine Anfrage an die Betriebe war, welche maximale Größe können Sie mit ihren Möglichkeiten bei einem gegebenen Budget erreichen? Jeder Auftrag hat das gleiche Budget in Höhe von € 40.000 netto. Hiervon soll ein geeigneter lokaler Stein besorgt, die Hand nach Vorlage gehauen, eine Transportverpackung gebaut und der Transport nach Deutschland, sowie die jeweiligen Zölle finanziert werden. Es wurden Betriebe angesprochen, die eine hochwertige Steinbildhauerei liefern können, landesüblich gute Arbeitsbedingungen bieten und regulär abrechnen. In Deutschland übernehme ich die Skulpturen, bezahle Einfuhr- beziehungsweise Umsatzsteuer und kümmere mich um die Montage im Campuspark.

Interpretation 

Die Skulpturen werden nicht einfach vergrößerte Versionen der Gipsmodelle. Der verwendete Stein hat eine prägende Materialwirkung und beim Skalierungsprozess bleibt künstlerischer Spielraum. Es ist davon auszugehen, dass die Skulpturen eher Interpretationen der Gipsmodelle werden und Bildhauereitraditionen der Herstellungsgebiete eine Rolle spielen. Künstlerische Aufträge an externe Betriebe müssen immer betreut werden. Eine enge Kommunikation und Begleitung der Prozesse ist unbedingt notwendig und persönliche Anwesenheit zu mindestens einem Besuch wird von vielen Betrieben erwartet. Ich werde alle Aufträge betreuen und zu allen Betrieben reisen, um eine gute Umsetzung zu gewährleisten und die Entstehung zu dokumentieren.

Skulptur 
Das Resultat werden Hände aus verschiedenen Steinsorten und gänzlich unterschiedlicher Größe sein. Ich konnte 7 Kostenvoranschläge oder besser Größenvoranschläge erhalten:
-Katja Stelljes & Peer Steppe aus Bremen können eine Hand aus ObernkirchenerSandstein hauen mit den Maßen 190 cm x 110 cm x 60 cm. Gewicht ca. 2,5 t.
-Studi D’Arte, das klassische Steinbildhauereistudio in Carrara (mit dem Steinbruch,aus dem Michelangelos Marmor kam) kann eine Hand aus weissen Carrara Marmorfertigen mit einer Länge von 140 cm. Gewicht ca. 1,3 t.
-Trinh Nguyen hat einen Betrieb in der Steinbildhauereiregion Ninh Binh, Vietnamund kann aus Yen Bai Marmor eine Hand von 350 cm Länge anfertigen. Gewicht ca.10 t.
-Jianguang Chen ist ein bekannter Jadeschnitzmeister aus Guangzhou, China. DieGröße der Hand hängt stark von der Qualität der Jade ab. Mit einer hohen Qualitätvon Hetian-Jade könnte die Hand etwa 30 cm lang werden. Gewicht ca. 10 kg.
-Chido Johnson ist Steinbildhauer in Detroit, USA und würde die Hand aus IndianaLimestone fertigen. Die Größe der Hand muss an die dann aktuellen Zolltariffe angepasst werden. Für den Wettbewerb gehe ich von einem Zolltarif von 20% aus unddeshalb wird die Hand nur 130 cm lang. Gewicht ca 1,2 t
-Calvin Chimutuwah aus Harare, Zimbabwe kann eine Hand aus Rose-brown Granite fertigen mit einer Länge von 180 cm. Gewicht ca. 4 t.
-Agnessa Petrova & Petre Petrov aus Sofia, Bulgarien würden Vratza Kalkstein verwenden und eine Größe von 150 cm x 83 cm x 76 cm erreichen, Gewicht ca. 2 t.

Aufstellung 
Die Aufstellung der Hände im Campuspark hat ihren Schwerpunkt um denHaupteingang und zieht sich danach entlang des zentralen Parkwegs bis zum Ende des Hochschulgebäudes. Genutzt werden die bereits geplanten Sitzpodeste. Diese werden modifiziert – die Holzkonstruktionen werden um die notwendigen Betonfundamente der Skulpturen herum gebaut. Drei zusätzliche Sitzpodeste/Skulpturensockel werden errichtet und eines davon größer, um die erste und größte Hand zu tragen. Alle Sitzpodeste/Skulpturensockel sollen auch mit den Skulpturen als Sitzmöglichkeiten verwendet werden. Mein Vorschlag für die kleinste Hand aus Jade ist eine Aufstellung im Windfang des zentralen Eingangs auf einem Sockel aus Terrazzo (oder Sichtbeton) mit einer Haube aus Sicherheitsglas oder direkt auf dem Empfangstresen. Hiermit überschreite ich die Vorgaben des Wettbewerbs, inhaltlich ist diese Verschränkung von Innen und Außen jedoch sinnvoll. Falls dies nicht zulässig ist, kann auch ein Standort im Aussenraum gefunden werden.
Auf eine vertikale Markierung wird bewußt verzichtet, da die Architektur, die Flaggenstangen und Bäume dies bereits gut erfüllen. Stattdessen wird die Fläche des Campusparks betont und die Größen der Skulpturen setzen sich in ein Verhältnis zum Körper der Betrachter:in. Dieses in Verhältnis setzen macht etwas konkret, was ansonsten im Verborgenen bleibt, in diesem Fall Warenverkehr, Steuern und Zölle.
Alle Hände werden mit Dübeln und eingeklebten Gewindestangen fest verankert. Die Positionen der Skulpturen werden gemeinsam mit den Landschaftsarchitekt:innen und Projektbeteiligten entschieden, die Anordnung auf dem Lageplan soll nur ein Beispiel hierfür sein. Die größten und schwersten Hände (Position 1 und 3) werden direkt auf dem Schwerpunktbereich bzw. neben dem Haupteingang montiert, sind also noch von der Feuerwehrzufahrt erreichbar. Alle anderen Skulpturen im Campuspark können mit einem leichten Teleskopstapler montiert werden.
Wie eine in Stein gehauene Hand wirken kann, zeigt eindrücklich die Skulptur „Éqoute“ von Henri de Miller in Paris. Es ist eine einladende Skulptur, zum Anfassen und Hinsetzen.

Vermittlung 
Das Kunstwerk ist mit dem Titel recht selbsterklärend. Im Laufe der Entstehung und den Reisen zu den Betrieben werden jedoch viele Informationen, Bilder und Geschichten zusammenkommen, die wert wären, sie zu veröffentlichen. Zur Vermittlung soll eine Broschüre erscheinen, in der die Entstehung der Werke dokumentiert und alle ausführenden Betriebe vorgestellt werden. Hier sollten auch die Kosten, Zölle und Steuern der einzelnen Skulpturen aufgeführt werden sowie Carbon-Footprint-Rechnungen erscheinen. Die Broschüre bietet damit Inhalte, die eine Betrachtung aus der Perpektive von Materialwerten, Arbeitskosten und Arbeitsbedingungen, internationalen Warenverkehrs, sowie von Zöllen und Steuern ermöglicht.

Dauerhaftigkeit
Alle Skulpturen werden aus Naturstein gefertigt. Granit, Jade und Kalksteine sind im Aussenbereich haltbarer als Sandstein oder Marmor. Jedoch ist selbst im ungünstigsten Fall von einer Haltbarkeit von mindestens 50 Jahren auszugehen. Die Verbindungen zu den Fundamenten werden in Edelstahl ausgeführt. Eine Reinigung mit einem Hochdruckreiniger (mit geringen Druck) oder Bürste und Wasser sollte ein- bis zweimal im Jahr geschehen. Jährlich sollte die Standfestigkeit geprüft werden, was über die Haustechnik geschehen kann. Weitere Maßnahmen sind nicht erforderlich. Bei einem Tagessatz einer Reinigungsfirma inkl. Anfahrt und Geräte von € 500 wären dies maximal € 1.000 pro Jahr, entsprechend € 10.000 in 10 Jahren.

Findlinge
Eine Schlußbemerkung zu den Findlingen: Findlinge sind in der Regel aus sehr harten Gestein und extrem schwierig zu bearbeiten. Für bildhauerische Zwecke besteht zudem das Risiko, dass sich Risse im Inneren befinden, die von Außen nicht sichtbar sind und jede Bearbeitung zu einem Glücksspiel machen. Im Vorschlag wird deshalb die geplante Verwendung der Findlinge in der Parkgestaltung begrüßt und sie bilden einen Kontrast zu den Skulpturen, als unbearbeitete zu bearbeiteten Steinen.

Ingo Vetter 7 Hände gleichen Werts

Visualisierung: Ingo Vetter