Joep van Lieshout - "Mensch"

Konzept: In diesem Kunstwerk geht es um den Menschen, dessen tiefstes Wesen und die Beziehung zueinander und zur Erde. Ein Krankenhaus ist ein Knotenpunkt existenzieller Fragen. Hier werden Kinder geboren und die Sterbenden tun ihren letzten Atemzug. Einige werden für geheilt erklärt, andere müssen warten. Im Krankenhaus wird der Mensch auf sein Wesen zurückgeworfen und das Leben auf das Wesentliche reduziert. Atelier Van Lieshout hat für das Bundeswehrkrankenhaus in Ulm eine Skulpturengruppe aus sechs ikonischen Figuren erschaffen, die Besucher, Patienten und Personal reflektieren. Es handelt sich um Typologien, Totems oder Archetypen, die die unter-schiedlichen Rollen in der zwischenmenschlichen Kommunikation symbolisieren. Zusammen bilden sie ein kollektives Porträt der Menschheit. Der Stil, in dem ich diese Werke erschaffen habe, nennt sich humanoid. Diese Skulpturen sind figurativ, aber auch abstrakt, amorph, ohne individuell erkennbare Eigenschaften. Die Haut der Objekte ist natürlich, uneben und rau, wodurch sie sich sehr organisch anfühlt und zum Berühren und Streicheln einlädt. Es ist, als wären diese Skulpturen aus einer Art Vulkangestein gewachsen, das spontan aus dem Boden sprudelt. Dies unterstreicht ihre Verbundenheit mit dem Irdischen im Allgemeinen und der fruchtbaren Umwelt Ulms im Besonderen. Die Humanoiden sind aus Aluminium gefertigt. Dieses Hightech-Material wird häufig in der Luft- und Raumfahrt sowie in Krankenhäusern eingesetzt, wo es für Hüftprothesen, Pillenstreifen und andere Anwendungen verwendet wird, bei denen das Material eine Barriere gegen Bakterien und Verunreinigungen bildet. Aluminium ist leicht, sowohl im Gewicht als auch im Aussehen. In den sechs Skulpturen verarbeitet, bietet es einen verbindenden Gegenpol zur strengen Architektur des Neubaus, indem es Assoziationen von Hightech mit einer äußerst haptischen Verarbeitung verbindet. Die erste Figur (Winkender Mensch) winkt ausgelassen. Sie begrüßt und heißt willkommen, sie lädt Besucher ein, sich der Gruppe anzuschließen. Sie ist das Bindeglied und die Brückenbauerin, die den Einzelnen mit der Gesellschaft insgesamt verbindet. Die zweite Figur ist, Va-ter und Kind, ein Elternteil und ein Kind, vielleicht das universellste Menschenbild, das wir kennen. Dieser Archetyp repräsentiert Neuanfang und Hoffnung für das Überleben der Menschheit als Spezies und die Weitergabe des Lebens.
Dabei geht es auch um eine möglichst tiefe Bindung zwischen zwei Individuen. Zusätzlich zu dieser untrennbaren, naturgegebenen Bindung zwischen Eltern und Kind gibt es auch die gewählte Verbindung. Dies wird durch die dritte Skulptur dargestellt, Freundschaft. Die beiden Figuren, die sich – je nachdem wie man es sehen möchte – umarmen, halten, stützen oder küssen, stehen für das Wunder der Freundschaft. Ob es sich um eine Bindung zwischen Mann und Frau, Frau und Frau oder zwischen Männern untereinander handelt, diese „Liebe über die Blutsbande hinaus“ ist die höchste erreichbare Form der Sozialisierung. Der innere Zusammenhalt, der die Gemeinschaft prägt, ist fragil und muss geschützt werden. Die vierte Figur ist der Ritter, der wie die Armee die Menschheit vor Störungen von außen schützt. Er bietet Schutz und Sicherheit, die Voraussetzun-gen für Überleben und Wachstum einer Gruppe. Die fünfte Figur, Urmutter, ist eine liegende Frau mit darauf spielenden Kindern und spiegelt einen Moment des Glücks wider. Diese Urmutter kann in großformatiger Ausführung auch als Sitz- und Sammelobjekt dienen. Die sechste Figur, Mäd-chen mit Kind, stellt ein Mädchen dar, das mit ihrer Puppe in der Hand offenherzig in die Zukunft geht. Unschuldig und mit einem ganzen Leben vor sich. Letztendlich wollen wir 5 Objekte machen, eine Skulptur pro Hof. Der wichtigste Ort ist der größte Innenhof, da er für die Öffentlichkeit am sichtbarsten und zugänglich ist. Hier würde ich das Mädchen mit Puppe im Großformat oder die liegende Mutter mit spielenden Kindern platzieren, da letztgenannte auf Wunsch als Spiel- und Sitzobjekt dienen kann.

Beurteilung durch das Preisgericht:

Die Jury würdigt das inhaltliche und formale Konzept, das die figürlichen Fragestellungen gut löst. Die Proportionen sind gut gewählt. Die mögliche Nutzbarkeit der Skulptur im begehbaren Hof wird positiv gesehen. Der Bezug zur Architektur ist für die Jury nicht genügend erkennbar.