Bundesanstalt für Immobilienaufgaben

Karin Sander - "Wand – Teppich"

Konzept:
Für das Haupt- und Nebenfoyer der Hochschule des Bundes wird jeweils ein Wandteppich gefertigt, der exakt auf die für die Kunst vorgesehenen Wandflächen gehängt wird. Das Besondere ist: Der Teppich zeigt präzise das, was sich hinter dem Teppich befindet – die rohe Sichtbetonwand mit all ihren strukturellen Details: Dehnungsfugen, Ankerkonen und die Oberflächengradiationen.

Die Wand wird zum Bild
Die für die Kunst vorgesehenen Wandbereiche zeigen eine hellgraue Sichtbetonfläche mit einem linearen Fugenbild und regelmäßig verteilten Ankerpunkten. Diese Wandbereiche werden fotografisch reproduziert und auf dieser Basis als Bildteppiche gefertigt. Das textile Abbild verdeckt das Original – und zeigt es gleichzeitig. Der Teppich reproduziert den Beton in Farbe, Struktur und Maßstab und erzeugt so ein Wechselspiel von Wahrnehmung und Materialität. Das Kunstwerk verschleiert das Reale und stellt es zugleich aus: Was man sieht, ist das, was man nicht sieht. Der Teppich (1,5 cm stark) tritt als objekthafte, weiche Schicht vor die Wand und zeigt genau das, was er verdeckt: ein grafisch erhöhtes Fugenbild, die Ankerpunkte und die feinen Grautöne der Wand. Er tritt als objekthafte, weiche Schicht vor die Wand – hebt sich räumlich von der Wand ab, ist deutlich sichtbar, zugleich aber entzieht er sich der schnellen visuellen Präsenz. Neben seiner ästhetischen Qualität hilft er Schall und Geräusche zu reduzieren und integriert sich als erhabene, weiche Bildfläche in das Gesamtbild der Architektur.

Fazit:
Die beiden Sichtbetonwände - im Haupt- wie im Nebenfoyer - die jeweils mit dem Rücken zueinanderstehen, werden durch ihre eigenen textilen Abbilder skulptural aufgedoppelt. Die bautechnische Notwendigkeit – Fugen, Ankerlöcher, Grauverläufe – wird zum ornamentalen Bildmotiv. Konstruktive Rationalität wird hier zu Schmuck, die linienstrukturierte Wandfläche als Bild wird in eine weiche, warme, haptisch erfahrbare Oberfläche, in einen die Aufenthaltsqualität steigernden Wollteppich transferiert.

Zoll, ein narratives Moment
Was ist sichtbar – was ist verborgen? Was ist Original – was ist Kopie? Was ist echt – was ist Fälschung? Der Wand-Teppich wird zum Sinnbild für zentrale Fragen des Zolls: Kontrolle, Täuschung, Materialverschiebung, Kostbarkeit, Geheimnis und Aufdeckung. So entsteht aus einem vorgefundenen Motiv – der eigenen Wand – ein komplexer Dialog von Bedeutung, Wahrnehmung und Inhalt, der Wand-Teppich wird zur Projektionsfläche. Neben dem architektonischen Kontext erzeugt der Wand-Teppich eigene Bildgeschichten, die in Bezug zum Studium Zoll gelesen und interpretiert werden können.


Beutreilung durch das Preisgericht:
„Das Kunstwerk verschleiert das Reale und stellt es zugleich aus. Was man sieht, ist das was man nicht sieht“.
Das Kunstwerk spielt sehr bewusst mit einer subtilen Zweideutigkeit, in intelligenter Art und Weise.
Die Wahrnehmung kann auf den zweiten oder dritten Blick zu einer angenehmen Irritation führen, indem es die visuelle Haptik der bestehenden Betonoberfläche, inkl. all ihrer Imperfektion, dupliziert. Ursprünglich gewollt Kaschiertes wird hier durchbrochen und zelebriert, knüpft im wahrsten Sinne des Wortes an, wird Ornament, Kunst, erhoben – als Aufwertung, wird zu etwas Wertvollem (als Irritation).
Diese Arbeit besteht aus zwei gleichberechtigten Teilen, die keinen Rang herstellen, sondern die Gleichwertigkeit der Foyers herstellen. Sie sind gleichartig und individuell zugleich.
Die Wahl eines Wandteppichs – kunsthistorisch als Gobelin in Form eines Trompe-l’oeils verortet – erscheint in ihrer modernen, digital gefertigten Umsetzung besonders passend zur Architektur und dem teilweise digital gesteuerten Bauprozess (etwa durch Vorfertigung).
Die Arbeit knüpft intelligent an die Geschichte der Wandmalerei an, die mit dem Raum spricht, der Raum wird in der Kunst fortgeschrieben. Sie setzt sich durch ihren bewussten Verzicht auf Farbe als Thema, mit dem materiellen Grundwesen des Gebäudes auseinander.
Wie auch der Zoll selbst erläutert „Wir haben viel mit Teppichen zu tun!“, geht es dabei darum, ein Original von der Fälschung, anhand der Zählung der Knoten (je hochwertiger, desto präziser) – auch hier ist die Ausführung hochwertig durch die Anzahl der Knoten und zeigt so eine sehr genaue Darstellung der Wand darunter.
Die Jury würdigt insbesondere, dass die Arbeit nicht nur ihre künstlerische Qualität entfaltet, sondern auch die akustische Wertigkeit des Raums erhöht.
Der großformatige Teppich bespielt den ganzen Raum, ohne diesen zu verformen oder zu dominieren.

Karin Sander Wand - Teppich

Visualisierung: Karin Sander