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Lukas Zerbst - „Le chant de l’Alouette / Das Lied der Lerche“ 

Konzept:
Die Arbeit Le chant de l’Alouette nimmt ihren Ausgangspunkt in einem ausrangierten Helikopter vom Typ Alouette II, der der Bundespolizei-Fliegerstaffel Gifhorn gehörte. Der stillgelegte Hubschrauber, der vielen Pilotinnen und Piloten als Ausgangspunkt ihrer Laufbahn diente, wird in ein künstlerisches Sinnbild überführt. Im Zentrum steht die Transformation eines ehemals einsatzbereiten Geräts staatlicher Kontrolle in ein poetisches Denkmal, das von Erdung, Bewegung, Verantwortung und Frieden erzählt.
Die Installation im Außenraum basiert auf einem kontinuierlichen, fast unsichtbaren Bewegungsprozess. Der Helikopter wird so auf einer robusten Unterkonstruktion montiert, dass er sich täglich um einen Grad im Uhrzeigersinn dreht. Über einen Zeitraum von knapp 69 Jahren vollzieht er damit eine vollständige Umdrehung und kehrt exakt in seine Ausgangsposition zurück. Drei verbogene, bandartige Rotorblätter verbinden den Rumpf mit dem
Boden. Sie wirken wie Erdanker und zugleich wie erstarrte Luftwirbel, die den Schwebezustand des Fluges in die Statik der Erde übersetzen.
Eine zweite Installation im Foyer des Neubaus erweitert diese Geste. Dort schweben drei Rotorflügel, die von Bowdenzügen gehalten und von Elektromotoren langsam bewegt werden. Sie erinnern an die offene Bauweise des Heckauslegers der Alouette, wo Steuerseile sichtbar verlaufen, und verbinden Technik mit einer meditativen, beinahe andächtigen Bewegung. Während die Außeninstallation den Helikopter erdet und langfristig ausrichtet, setzt die Inneninstallation auf das Prinzip der Fragilität und der ständigen Befragung.
Beide Arbeiten schlagen eine Brücke zwischen Luft und Erde, zwischen Technik und Menschlichkeit. Sie reflektieren die Ambivalenz polizeilicher Verantwortung: Kontrolle und Schutz, Erdung und Freiheit, Macht und Menschlichkeit. Sie geben der Bundespolizei ein künstlerisches Sinnbild, das zugleich historisch verankert, gegenwärtig wirksam und zukunftsoffen ist.

Wieso nach 69 Jahren?
Mathematisch lässt sich die Dauer einer vollständigen Umdrehung präzise bestimmen: Der Helikopter dreht sich täglich um 1°. Ein Jahr hat im Mittel 365,2422 Tage. Damit dreht sich die Skulptur pro Jahr um 365,2422°. Eine volle Umdrehung beträgt 360°, sodass die Arbeit jährlich um etwa 5,24° „überschießt“. Erst nach rund 69 Jahren gleichen sich diese Abweichungen aus und die Alouette kehrt exakt in ihre Ausgangsposition zurück. Poetisch verweist die Zahl 69 auf das astrologische Zeichen der Fische, das aus zwei einander zugewandten Bögen besteht, verbunden durch eine Linie. Es symbolisiert Zyklen, Gegensätze und deren fortwährende Verbindung – ähnlich wie die Alouette zwischen Himmel und Erde, Technik und Natur, Macht und Fragilität vermittelt.

Beurteilung durch das Preisgericht:

Das Preisgericht würdigt einstimmig den engagierten Vortrag. Die Arbeit ist gedankenreich, und schafft es, die Fliegerei bildsprachlich auf die Erde zu holen und den Aspekt der Zeit einzubinden. Beide Standorte bilden künstlerisch einen Zusammenhang. Der Entwurf ist außergewöhnlich, lebhaft und zeitgenössisch. Er umfasst auch die Würdigung des Ortes. Kontrovers diskutiert das Preisgericht die notwendige Stütze für den Hubschrauber, die im
Ergebnis einer statischen Prüfung auch noch robuster ausfallen könnte. Dies könnte im Konflikt stehen zur ursprünglichen Idee. Es bleiben Zweifel in Bezug auf die Umsetzbarkeit und den Erhalt der Bauteile des Hubschraubers. Problematisch erscheinen zudem der hohe Technisierungsgrad und Wartungsaufwand.

Zerbst Gifhorn

Visualisierung: Lukas Zerbst