M+M - Sweet Harmony
Konzept: Sweet Harmony ist eine hybrid erscheinende Skulptur, die als dreidimensionale Collage ganz unterschiedliche pflanzliche Eigenschaften vereinigt. Die Bildquellen der Einzelbestandteile entstammen unterschiedlichen Spielfilmen, in denen Pflanzen eine zentrale, teils aktive Rolle zukommt. Das ca. 4 Meter aufragende Aluminiumgewächs steht auf einer Rasenfläche in unmittelbarer Nähe zum Eingang des Hauptgebäudes. Nähert man sich über den Zugangsweg erscheint Sweet Harmony zunächst wie eine vollplastische Skuptur. Beim vorbeigehen offenbart sie sich allerdings als reliefartige Figur, deren Rückseite eine vollkommen glatte Fläche darstellt, so als ob die gesamte hintere Hälfte senkrecht abgeschnitten wäre. Diesen Charakter eines freistehenden Reliefs verdankt Sweet Harmony seiner Genese aus den Filmbildern, deren dreidimensionale Rekonstruktion konsequenterweise nur aus der Frontalansicht entwickelt werden konnte. Sweet Harmony verweist mit der abstrahierten, wie abgeschnittenen Rückseite auf die Kulissenhaftigkeit und zweidimensionale Kehrseite der Filmquelle, in der nur auf einen Kamerastandpunkt hin inszeniert wird.
Sweet Harmony setzt das Filmbild, die Collage und die klassische Skulptur in einen engen Bezug. Pate für den Produktionsprozess steht die surrealistische
Methode des „Cadavre Exquis“, bei der vier konträr erscheinende Körperbereiche aus der Feder verschiedener Autoren zu einer grotesken Figur verbunden werden. Sweet Harmony wird so zum paradoxen Versuch, unterschiedliche Elemente pflanzlicher Film-Protagonisten (aus Filmen wie „Beeing There“ oder „The day of the Triffids“) zu einem ganz neuen, starken, aktiven Pflanzentyp zusammenzuführen und in den Realraumzu übertragen. Ihre sauberen Schnitte und die pfropfartige Kombination vegetabiler Elemente verweisen aber auch gleichzeitig auf das Sezieren als naturwissenschaftliche Technik zur Erkenntnisgewinnung und auf das Pfropfen als zentrale Methode der Pflanzenzüchtung und -entwicklung.
Der Charakter dieses Hybrids strahlt eine fantastische Selbstständigkeit und Eigendynamik aus. Die Wurzeln scheinen beweglich, die Mehrzahl der Stämme wie Beine, die Blätter und Knospe stolz und selbstbewußt. Sweet Harmony zieht an, bewegt sich beinahe, scheint progressiv. Sie entzieht sich widerständig der (sprachlichen) Ordnung und verweist gerade dadurch kritisch auf jene zurück. Eine Pflanze, die dem Logozentrismus die Stirn zu bieten scheint und der eine eigene, aktive Qualität zukommt.
Ähnliche Eigenschaften treten vereinzelt auch in Spielfilmvisionen zu Tage. In „Being There“ ist es zwar noch der Gärtner (Peter Sellers), der die Pflanzen pflegt und auch im öffentlichen Raum für sie Verantwortung übernehmen will. In einem Film wie „The Day of the Triffids“ lernen Pflanzen bereits sich und ihren Lebensraum selbst zu verteidigen. Sie gewinnen eine eigenständige, selbstverantwortliche Qualität.
Mit ihren Eigenarten nimmt Sweet Harmony Bezug auf Merkmale und Zielsetzungen des Julius- Kühn-Instituts, das auf Auswirkungen gesellschaftlicher wie auch klimatischer Veränderungen reagiert, die Leistungsfähigkeit der Kulturpflanzen fördert und sich als kompetente Institution in Fragen der Züchtung und Erforschung sowie des Schutzes der Kulturpflanzen etabliert hat. Die Skulptur zeichnet dabei gleichzeitig eine fantastische Vision zukünftiger emanzipierter Botanik, als neuartige Protagonistin im Feld innovativer und transdisziplinärer Lösungsansätzen.
Beurteilung durch das Preisgericht:
Die aus filmstills zusammengesetzte Pflanze als Aluminiumskulptur für den Vorplatz des Neubaus verweist mit ihrer flachen Rückseite und ihren propfartigen Schnitten, Verbindungen und Kombinationen auf die naturwissenschaftlichen Techniken, wie sie im JKI zur Erforschung von Pflanzen und Pflanzenkrankheiten sowie zur Pflanzenvermehrung praktiziert werden. Die Jurymitglieder, darunter auch die Nutzvertreterinnen, sehen das JKI und seine wissenschaftliche Arbeit, die durchaus auch provozierende und ambivalente Seiten hat, in dieser Skulptur sehr treffend und eindringlich ausgedrückt. Sie haben jedoch einige Änderungswünsche, die im Realisierungsfall zu berücksichtigen sind.