Malte Bartsch - "ALOUETTE II und DOWNWASH"
Konzept:
Einleitung
Mit meinem Entwurf „ALOUETTE II und DOWNWASH“ begegnet die Kunst dem Neubau der Bundespolizei-Fliegerstaffel Gifhorn mit zwei komplementären Gesten. Beide greifen den Helikopter als prägendes Objekt des Ortes auf – einmal in seinem Inneren, einmal in seiner unsichtbaren Wirkung – und schaffen so neue räumliche und zeitliche Perspektiven.
Im Foyer wird eine ausgediente Alouette II in einer etwa 10–15 cm starken Scheibe durchschnitten und wie ein Fossil an der Wand montiert. Das Innere der Maschine – Rotorwelle, Kanzel, Triebwerk – wird offenbart und kann von allen drei Ebenen des Foyers betrachtet werden. Jede Etage eröffnet eine andere Sicht: nah am Material, aus der Distanz oder von oben. Wie ein Helikopter, der selbst die Höhe verändert, eröffnet auch das Kunstwerk wechselnde Perspektiven auf dasselbe Objekt. Auf der Dachterrasse wird die Bewegung der Luft sichtbar, die ein schwebender Helikopter erzeugt. CNC-gefräste Wellenlinien in den Terrassenplatten zeichnen die Spuren nach, die Rotoren über Wasser erzeugen. Von oben betrachtet erscheinen sie wie Kreise, die ein startender Helikopter in die Umgebung zeichnet. Unten auf der Terrasse, beim Begehen, werden sie unter den Füßen körperlich erfahrbar. Der Eindruck des Schwebens überträgt sich so in den Alltag der Mitarbeitenden – der Helikopter wird symbolisch über das Gebäude gehoben.
Beide Arbeiten bilden ein Spannungsfeld zwischen Innen und Außen, Sichtbarem und Unsichtbarem, Technik und Natur. Gemeinsam verdichten sie das Selbstverständnis der Fliegerstaffel und transformieren ihre Maschinen in künstlerische Zeichen: konkret, poetisch und identitätsstiftend.
1. Ausgangspunkt
Die Aufwertung des Standortes Gifhorn zur eigenständigen Fliegerstaffel markiert einen strukturellen und symbolischen Neubeginn. Mit dem Neubau entsteht ein funktionales Gebäude, das Klarheit, Präzision und Effizienz verkörpert. Kunst am Bau kann in diesem Kontext mehr sein als Dekoration: Sie wird zum Resonanzraum, der die Atmosphäre des Ortes verdichtet und seine Identität nach außen trägt.
Während meiner Besuche vor Ort wurde spürbar, wie eng die Mitarbeitenden mit den Maschinen verbunden sind. Der Hubschrauber ist für sie kein abstraktes Fluggerät, sondern ein täglicher Partner – ein kollektiver Körper, der gewartet, gepflegt und geflogen wird. Er steht für Verantwortung, für Technikbegeisterung, für die Fähigkeit, Grenzen zu überwinden, Leben zu retten.
Aus dieser Nähe leitet sich mein künstlerischer Ansatz ab: die Maschine nicht nur darzustellen, sondern als konkretes Material und Thema der Kunst zu verwenden. Die Arbeiten sprechen nicht abstrakt über Fliegerei, sondern arbeitet mit ihren Materialien und Kräften selbst. Sie machen sichtbar, was den Alltag der Fliegerstaffel prägt: die Präzision der Technik, die Faszination des Fliegens, die Verbindung von Mensch und Maschine. Damit wird der Neubau nicht nur zu einem Ort der Arbeit, sondern zu einem Ort der Identifikation – für die Mitarbeitenden, die täglich mit diesen Maschinen verbunden sind, und
für die Institution, die hier ein neues Kapitel ihrer Geschichte aufschlägt.
2. ALLOUETTE II – Technik sichtbar machen
Im Zentrum steht die Transformation der ausgedienten Alouette II. Durch einen präzisen Eingriff mit einer Diamantseilsäge wird eine 10–15 cm starke Scheibe aus dem Rumpf herausgelöst – ein Querschnitt durch Rotorwelle, Kanzel, Triebwerk und Rumpfstruktur. Dieser Schnitt legt frei, was normalerweise verborgen bleibt: Leitungen, Kabel, Materialschichten – die innere Ordnung die das Fliegen ermöglicht. Der Helikopter, Symbol
für Bewegung, wird in einem Moment eingefroren. Die Schnittfläche wird von hinten unsichtbar fixiert und von vorne partiell geschliffen, poliert und mattiert. Lichtreflexionen und Oberflächenwiderstände erzeugen Tiefe und Kontraste. Der Querschnitt hängt vertikal im Foyer – sichtbar von drei Geschossen aus wird er zu einem technischen Fossil – zugleich Erinnerungsobjekt und poetisches Bild.
3. DOWNWASH – Unsichtbares sichtbar machen
Der zweite Eingriff verlagert den Blick vom Inneren des Objekts zu seiner unsichtbaren Wirkung: der Luft. Rotoren verdichten und verwirbeln das Unsichtbare das erst über Wasser in konzentrischen Wellen sichtbar wird. Diese Spuren werden auf der Dachterrasse festgehalten. In die Steinplatten sind mithilfe einer CNC-Fräse wenige Millimeter tiefe Wellenlinien eingearbeitet. Sie orientieren sich an realen Messungen. Dazu werden Rotorbewegungen eines Helikopters der Staffel vor Ort dokumentiert und digital übertragen.
Von oben betrachtet erscheinen die Muster wie Luftkreise eines startenden Helikopters. Beim Begehen der Terrasse werden sie unter den Füßen leicht spürbar und im Detail sichtbar. So entsteht der Eindruck, dass ein Helikopter über dem Gebäude schwebt und seine unsichtbaren Kräfte eine sichtbare Spur hinterlassen.
Beurteilung durch das Preisgericht:
Die Inszenierung des Flugkörpers nicht nur als Schnitt, sondern als Übersetzung in eine skulpturale Inszenierung, wird sehr positiv und passend für die räumliche Situation im Foyer beurteilt. Die persönliche Präsentation hat hierzu offene Fragen geklärt. Die Bodenarbeit für die Terrasse stellt inhaltlich eine gute, vor allem lebendig wirkende Ergänzung zur Wandinstallation im Foyer dar. Der Entwurf insgesamt wird als eine gelungene Verbindung von Technik und Natur sowie Innen- und Außenraum gesehen. Die Arbeit wirkt identitätsstiftend und ist langlebig. Die Bewirtschaftungskosten sind realistisch und
überschaubar.
Im 2. Wertungsrundgang wird der Entwurf von einzelnen Mitgliedern des Preisgerichts kritisch hinterfragt: Auch bei unterschiedlicher Oberflächenbehandlung der Einzelteile, hat die Wandarbeit eine zu große Nähe zu einer rein technischen Präsentation. Zugleich mag die neue Anordnung einzelner Teile bei Mitgliedern der Fliegerstaffeln für Irritationen sorgen. Zudem wird die Platzierung der Wandarbeit auf der sehr schmalen Foyerwand kritisiert. Das Motiv des sich bewegenden Wassers ist durchaus ambivalent, da sich Piloten im Einsatz über Wasser stets an Fixpunkten außerhalb der Wasseroberfläche orientieren müssen, um nicht die Orientierung zu verlieren
Collage BImA, Visualisierung: Malte Bartsch