Martin Binder – "Value of Biodiversity"

Konzept: Furnierintarsien im Wohnbereich der künftigen Bundesfinanzakademie in Berlin-Mitte. 

Der Kunst am Bau Entwurf sieht vor, die Flure punktuell mit Wandverkleidungen aus Holz zu versehen (gleiche Holzart, wie Fenster und Deckenverkleidung). Die Wandverkleidungen entwickeln sich in unregelmäßig gezackten Formen aus der Decke heraus und ziehen sich teilweise über die Ecken der Flure. Die Wandpaneele, die das strenge Raster der Wohnbereiche durchbrechen, sind mit Holzintarsien versehen. Die Motive zeigen heimische xylobionte Insekten, also Arten, die für ihr Überleben auf Totholz angewiesen sind. Insgesamt sind sieben Arten vertreten, von denen der Großteil vom Aussterben bedroht oder geschützt ist: Alpenbock (auf der Roten Liste der bedrohten Tierarten), Balkenschröter (Rote Liste), Scharlachroter Feuerkäfer, Holzwespe, Grabwespe (Rote Liste), Nashornkäfer (geschützt) und Hirschkäfer (Rote Liste).

Inhaltliche Bezüge

Die Arbeit setzt sich mit dem nachhaltigen Umgang mit den uns umgebenden Ökosystemen auseinander. Im Bundesminsterium für Finanzen und der zugehörigen Akademie werden wichtige Weichen gestellt für die wirtschaftliche Zukunft der Bundesrepublik. Ökonomie und Ökologie sind nicht voneinander zu trennen, da in einer derart vernetzten Welt jede wirtschaftliche Entscheidung auch Folgen für die Umwelt hat. Nachweislich geht die Biodiversität in der Bundesrepublik stetig zurück. Da lebende Organismen in dynamischen Ökosystemen zusammenwirken, kann das Verschwinden einer Art weitreichende Auswirkungen auf die Nahrungskette haben. Verschwindet biologische Vielfalt, schwindet eine relevante Wirtschaftsgrundlage und auch das Wohlergehen für uns Menschen wird minimiert: Eine belastete Umwelt wirkt sich negativ auf unsere Gesundheit aus, schränkt die Lebensqualität ein und erschwert es uns, dem Klimawandel entgegenzuwirken. Das wiederum zieht gesellschaftliche Folgekosten nach sich. Die Natur hat einen Nutzen und damit auch einen Wert für uns Menschen, jedoch ist sie auch über diesen Nutzen hinaus schützenswert. Künftig wird es immer mehr um die Fragen gehen, welchen Wert wir Umwelt und Biodiversität beimessen.

Die Insekten, die als Intarsien im Wohnbereich der BFA präsent sein werden, sind auf das Holz sogenannter Ewigkeitsbäume angewiesen. Dieses stehende Totholz ist für zahlreiche Arten lebensnotwenig. In einer auf schnellen Profit ausgerichteten Waldwirtschaft jedoch wird das Holz abgestorbener Bäume rasch entfernt und weiterverarbeitet.  Der Eigenwert von Biodiversität wird bei der ökonomischen Bewertung bisher kaum berücksichtigt. Dabei sind die Kosten für Mensch und Umwelt durch die reduzierte Biodiversität und ihre Auswirkungen auf künftige Generationen unschätzbar. Die Insektenintarsien sind aus 16 verschiedenen lokalen Holzarten zusammengesetzt. Diese kleinen Lebewesen sind Symbole für einen nachhaltigen Umgang mit Ressourcen und Umwelt. In der Akademie, wo Vertreter:innen aller 16 Bundesländer zusammentreffen und sich vernetzen ist die Kunst am Bau eine inspirierende Kulisse, um beim operativen Tagesgeschäft nicht das Bewusstsein für die Verantwortung aus dem Blick zu verlieren, die wir heute lebenden Menschen für alle künftigen Generationen haben. Für eine nachhaltige Finanzpolitik ist es unabdingbar, an künftige Generationen zu denken und langfristige Strategien und Handlungsmuster zu entwickeln.

Der Entwurf „Value of Biodiversity“ möchte überraschen und eine andere Art des Denkens, des Hinterfragens und des Seins im Unbekannten eröffnen. Es reicht nicht aus, unser Verhalten zu ändern, wenn wir Umweltkatastrophen abwenden wollen: Wir müssen anders über die natürliche Welt denken und fühlen - um unsere eigene Verbindung zur Natur wiederzubeleben.

Architektonische Einbindung

Die Kunst am Bau orientiert sich an den Sichtachsen der langen Flure und schafft wiedererkennbare Bezugspunkte in den sonst nüchternen Innenbereichen. Die stark vergrößerten Käfermotive der Intarsien laufen auf der gezackten Unterkante der Wandpaneele entlang, die formal an eine fragmentierte Holzpreis-Grafik oder einen Aktienkurs erinnert. Durch die Verwendung der gleichen Holzart von Deckenpaneelen, Fenstern und Wandverkleidungen fügt sich die Kunst am Bau harmonisch ein, bleibt jedoch als eigenständige und eigenwillige Arbeit durch Intarsien, Schrägen und Aufbrechen der Raumecken deutlich erkennbar. Die Paneele schaffen durch ihre punktuelle Platzierung ein durchgängiges Konzept, welches das gesamte Stockwerk aus langen Fluren und abgetrennter Teeküche spielerisch verbindet.


Beurteilung durch das Preisgericht:

Die handwerklich hervorragende Arbeit ist hervorzuheben. In dem Kontext ist sie eine positive Überraschung mit interessanten Bezügen zu Lebens- und Weltrealitäten. Mit dem aktuellen Thema wird die Aufmerksamkeit auf Insekten gelenkt, die sonst als Parasiten gesehen werden. Der Entwurf schafft es eine neue Perspektive einzubringen. Die Analogie zwischen Holz und holzvernichtende Tiere ist spannend. So entsteht ein Bezug zu einer der Aufgaben der BImA, die Holzwirtschaft. Zusätzlich bietet der Entwurf eine Orientierung im Gebäude.