Bundesanstalt für Immobilienaufgaben

Martin Bruno Schmid - „Lot“

Konzept:
Kernidee/Leitgedanke:

Zentrales Thema des Polizeialltags und der grundlegenden Polizeiausbildung ist es dafür zu sorgen, dass die Dinge im Gleichgewicht, dass sie „im Lot“ sind; bzw.: das aus dem Lot geratene wieder „ins Lot zu rücken“. Das Einüben des konzentrierten und fokussierten „ins Lot treffen“ ist wiederum eine der zentralen Aufgaben des Schießtrainings für Polizist*innen, nicht nur während ihrer Ausbildungszeit. Das ausbalancierte „im Lot sein“ muss dabei immer auch die persönliche Grundlage jedes Polizisten und jeder Polizistin sein; anders ist deren bedeutende Tätigkeit nicht pflichtbewusst und verantwortungsvoll auszuüben. Auf den drei Wänden zeigt und dokumentiert sich der tausendfach wiederholte Ansatz etwas sich organisch Bewegendes und permanent Veränderndes (und dabei nie wirklich zu Greifendes) in ein zentriertes Gleichgewicht, in das perfekte und dauerhafte Lot, zu bringen.

Die großformatigen Wandbilder zeigen fluoreszierende Libellen in transparenten Acrylglaskörpern, wie sie in professionellen Wasserwaagen zum Ausloten von (Bau-) Körpern verbaut sind. Die in der gelb-grün leuchtenden Flüssigkeit schwimmende Luftblase zeigt bei diesen geeichten und geprüften Präzisionsmessgeräten den Grad der Balance verlässlich an: befindet sich die filigran-amorphe Luftblase innerhalb der zentralen Markierungslinien ist das geprüfte Objekt exakt ausbalanciert; es ist im Lot.

Die Libelle als Sinnbild des „Ins Lot setzen“, „Ins Lot bringen“, des „Im Lot sein“.

Die ausgefräste kreisrunde Öffnung als universelles Zeichen für die Zielscheibe, für das anvisierte Target, für das zu treffende Zentrum: das Bull’s Eye.

Auf den beiden großen Wänden des Flures die rasterartig angelegte, orthogonal-repetetive Ordnung der tausendfach gefrästen Libellen-Rundöffnungen als Verweis auf die tausendfach zu wiederholenden Ansätze der Schießübungen, Trainings-, Übungs- und Auffrischungsstunden, um mit ruhiger Hand ins Ziel zu treffen.

Auf der großen Stirnwand diese eine Rundöffnung mit dieser einen einzigen Libelle: exakt mittig in der Raumflucht des Zugangsflures zum Schießstand platziert als Verweis auf diesen einen (!) Schuss der die Summe aller Übungs- und Trainingsstunden ist und der, egal unter welchen Umständen, im Lot sein muss um ins Ziel treffen zu können; Dieser eine Treffer der Dinge wieder zurück ins Lot rücken kann bzw. die aus der Bahn geratenen Dinge wieder ins Lot rücken muss!

Der Durchgang zu und von den Schießständen wird als Passage der Ausgewogenheit, Balance und konzentrierten Ruhe angelegt und gestaltet. Die fluoreszierenden Farben der Libellen bringen, im Zusammenspiel mit dem reflektierenden Glanz des sie fassenden Acrylglases, einen dezenten aber markanten Farb- und Lichtakzent in das Gebäude; das Glas reflektiert den Raum und die sich in ihm bewegenden Menschen, sie spiegeln und reflektieren sich in jeder einzelnen Libelle.

Hinter den lochgefrästen Wänden sind weiße Akustikvliese installiert, im Zusammenspiel mit den kreisrunden Lochöffnungen verwandeln sie die Wände in schallabsorbierende Akustikwände; der Flur wird so zu einer mehrere Sinne ansprechenden Passage der Ruhe, Konzentration und Kontemplation.

Jede Libelle ist einzeln und von Hand in die Rundöffnung eingesetzt. Jede Luftblase scheint dabei auf den ersten flüchtigen Blick optisch im Lot; bei genauerem Hinsehen (und darauf kommt es an!) wird aber deutlich, dass jede Libelle in einem leicht anderen („menschlich-individuellen“) Balance-Winkel installiert ist; jede Luftblase variiert in ihrer Zielgenauigkeit, jede einzelne tänzelt frei und individuell um den perfekt ausgeloteten Mittelpunkt.

Das Kunstwerk ist Intarsien-artig in die Wände des Gebäudes eingesetzt; Kunst und Architektur verschmelzen zu einer Einheit: Nicht Kunst am Bau, sondern Kunst im Bau und Kunst mit dem Bau.

Beurteilung durch das Preisgericht:

Interessant wurde die Metapher der Libellen in Wasserwaagen zur Situation der Bundespolizei empfunden. Auch die formale, serielle Umsetzung fand
Anklang. Ihre Ambivalenz der „Gleichmacherei“, die im Kontext der aktuellen politischen Lage auftaucht, der autoritäre Schein, dass ein perfektes, dauerhaftes Lot existieren könnte, wurde ebenfalls diskutiert. Dies deutet der Künstler andererseits selbst an. Für den Entwurf sprach auf jeden Fall die künstlerische
Idee und Ästhetik. Schwieriger wurde die unruhige Fläche mit vielen „Augen“ eingeschätzt, die in einer Situation, in der man sehr fokussiert sein muss,
eventuell zur Irritation führt. Selbstverständlich ist Kunst dazu da, zuweilen auch unser übliches Selbstverständnis zu irritieren. Im vorliegenden Fall ist die Situation der Nutzer keine alltägliche, die solche Reflexionen ermöglichen würde. Schwierig für die Realisierung wurde auch der Pflegeaufwand für die Vertiefungen gesehen – und die Beschaffung von Ersatzlibellen der gleichen Art über einen langen Zeitraum, da sie ja vom seriell Gleichen lebt.

Bruno Schmid Entwurf

Visualisierung: Martin Bruno Schmid