Michael Beutler - "Kolleginnen und Kollegen"
Konzept: Die fünf Höfe des neuen Flachbaus des Bundeswehrkrankenhauses in Ulm bieten geschützte Räume im Inneren des Gebäudes, öffnen sich zum Himmel und bringen das Tageslicht in die Besprechungs- und Wartezimmer. Kolleginnen und Kollegen reflektiert die architektonischen Strukturen des Hauses und öffnet ein Beziehungsgeflecht zwischen dem Gebäude, den dort arbeitenden Menschen, den Patienten und Patientinnen, deren Besucher und Besucherinnen, sowie den Organen, Proben in Petrischalen und den Bildern, die Grundlagen für medizinische Erkenntnisse und Entscheidungen sind. Durch die vielen Fenster sehen die Menschen raumgreifende Strukturen, die aus einer Perspektive und auch aufgrund der Nähe kaum als ein ganzes Objekt wahrzunehmen sind. Dem Auge bietet sich hier eine Art gewobene Struktur, die an den Rhythmus von Dachflächen denken lässt und durch ihre repetitive Konstruktion vom Detail auf das Wesen der Form des gesamten Objektes deutet. Dem analytischen Blick des oder der Untersuchenden zeigen sich somit in dem Hof 46 eine auf der Seite liegende Schale, die sich gleich einer Satellitenschüssel auf die Sphären außerhalb des Gebäudes richtet. Im Hof 56 liegt eine fast bodenfüllende gewölbte Hülle, die das Glasdach für das Stockwerk darunter sein könnte. In den engen Höfen 78 und 86 akzentuieren filigranere Strukturen den hohen umschlossenen Raum und tragen das Licht bis in das Erdgeschoss. Hier steht eine lange, hohle Säule mit sich öffnendem Kapitol und im äußeren Hof ein Strauß mit vier verschränkten Halmen mit Blättern.
Der zentrale Hof bietet nun den Schlüssel zur haptischen Erkenntnis, denn dieser Hof kann als einziger von allen Menschen betreten werden. Jeweils eine Variante der anderen Objekte steht hier aufgeständert, zwei Meter vierzig hoch als Dach auf der Fläche verteilt neben den Kiefern. Die Objekte sind teils verkleinert, teils auf dem Kopf stehend oder aufgerichtet ansonsten aber in Materialität und Konstruktion identisch mit den Kolleginnen und Kollegen in den anderen Höfen.
Hier haben sie jedoch zwei wesentliche Funktionen inne: Sie bieten Schutz und sie geben dem „Miteinander“ Raum. Patientinnen oder Patienten, können sich hier unterstellen, finden Geborgenheit unter den golden strahlenden Schirmen der Messingkuppeln. Hier können sie auf dem Hof mit Gästen wandeln und sich die verschiedenen Objekte auch aus der Nähe anschauen oder einfach Schutz vor Regen und Sonne finden und dabei trotzdem an der frischen Luft sein.
Natürlich wird hier auf die heilenden Kräfte des Edelmetall Messings verwiesen. Auf die Natürlichkeit der Alterung des Materials, welches durch Regen auf der Außenhaut eine Patina bekommt, während der goldene Schein im Inneren erhalten bleibt. Die Messingbänder sind über eine gefaltete Rahmenstruktur gespannt. Diese Form ist dem Glashaus in Chatworth von Joseph Paxton entliehen, welches durch Pavillon, dem größten Dach, nachgezeichnet ist. Neben den konstruktiven Qualitäten war es besonders wichtig über die rechtwinkligen, gewölbten Glasflächen möglichst viel Sonnenlicht im Laufe eines gesamten Tages in das Innere des Hauses zu bringen, um hier die Pflanzen gedeihen zu lassen und auch die erholsamen Effekte des Lichts zu fördern. In dem Bundeswehrkrankenhaus bilden die wohlstrukturierten, handwerklich fein ausgearbeiteten Oberflächen einen Formenkanon, auf dem das Auge wandern kann und dabei auch mit der Zeit nicht müde von der Betrachtung wird.
Beurteilung durch das Preisgericht:
Die Jury würdigt das gut durchdachte wie ästhetische Konzept, das die dreidimensionale Arbeit auf sehr intelligente Weise durchgespielt und unterschiedliche Ausdrucksformen findet. Das Konzept ist komplex, aber funktioniert dennoch sehr gut für nicht-kunstaffine Betrachter/innen. Die Interaktion mit dem/der Betrachter/in wird daher als äußerst gelungen bewertet, die Ästhetik als zeitlos erachtet. Die einzelnen Kompositionen sowie die Gesamtkomposition aller Höfe miteinander über-zeugen die gesamte Jury. Die Wahl der Materialität wird sehr positiv bewertet, ebenso die erforderliche handwerkliche Qualität der technischen Ausführung, die im Entwurf schon gut erkennbar ist. Dem Entwurf wird eine große, archaische Kraft zugesprochen, die die Jury durchweg überzeugt.