Nana Schulz - "Spuren"

Konzept: In einer mehrteiligen Fernseh-Dokumentation über den THW sind mir – abgesehen von den beeindruckenden Leistungen des THW selbst - besonders zwei Dinge in Erinnerung geblieben. 

Eine Person sprach in sehr bescheidener Weise über Einsätze des THW. Er betonte sinngemäß, dass der THW zwar die Funktionsfähigkeit von Systemen wiederherstelle, selbst aber dabei am Ende keine Spuren hinterlasse.

Das brachte mich auf die Idee, die Spuren, die zwar temporär bei Einsätzen entstehen aber nach dem Engagement verschwunden sind, symbolisch sichtbar und dauerhaft sichtbar zu machen.

Das zweite, was mich sehr beeindruckte, war die Farbigkeit in den Aufnahmen nächtlicher Einsätzen. Das Blaulicht der THW-Fahrzeuge illuminiert die Umgebung auf eine farbenprächtige Weise. Gebäude und ganze Straßenzüge werden in Blau-, Violett- und Rottöne getaucht. Zusätzlich zeichnen sich die Uniformen der THW-Einsatzkräfte nachts durch ein tiefes Dunkelblau und in Kontrast dazu durch ein helles euchtendes Gelb der Reflektorstreifen aus. So stellte ich mir aus abfotografierten Szenen dieser nächtlichen THW-Einsätze eine Farbpalette zusammen.

Der THW Kaltenkirchen ist - wie ich im Kolloquium hören konnte - besonders stolz auf seinen neuesten Fahrzeugzuwachs, den Telelader. Für mich liegt also nahe, für die Spuren, die ich sichtbar machen will, den Kaltenkirchener Telelader diese Spuren fahren zu lassen.

Der Telelader hat vier Räder mit - meines Wissen nach - einem bestimmten hier angewendeten Reifenprofil. Vier Räder machen zwei parallele Spuren, wobei die Spuren der Hinterräder nicht zwangsläufig in den Abdrücken der Vorderräder liegen müssen, sondern sich mit diesen überlappen. Das heisst, bei einer Fahrt über eine glatte Fläche, entsteht ein Muster aus parallelen und sich überlappenden Einzelflächen.

Dieses – stilisierte - Muster zieht sich nun im Maßstab 1:1 über Wände und Decke des Treppenhauses, als ob das Fahrzeug mehrfach über diese Flächen hinweggefahren wäre. Dabei bekommen die Spuren der Vorderachse und die Spuren der Hinterachse je eine Farbe aus der oben beschriebenen Farbpalette zugewiesen.

In einem Feldversuch, den ich in Zusammenarbeit mit dem THW Kaltenkirchen durchführen möchte, soll sich mithilfe des hauseigenen Teleladers das genaue Muster herausbilden. Dazu werden ich sowohl an den Reifen des Fahrzeugs die Profile abnehmen, als auch den Telelader tatsächliche Spuren fahren lassen. Das Muster, das dabei entsteht, wird stilisiert dargestellt - ähnlich dem Spurenmuster, das ich für die Zeichnungen verwendet habe.

Um den architektonischen Raum des Treppenhauses zu betonen und erfahrbarer zu machen, habe ich neben Wand 2 auch Wand 3 und ein kleines Stück der Decke in das Wandbild mit einbezogen. Ich habe viele verschiedene Varianten in Form und Farbe ausprobiert (darunter eine, in der nur Wand 2 bespielt wird,
siehe Alternative Entwürfe / verworfen, Abb.1.) und habe mich für eine klare, technisch anmutende Version schnurgerader farbiger Spuren auf weisser Fläche entschieden.

Da das finale Muster aufgrund der im Feldversuch entstandenen Spuren neu entwickelt wird, entsprechen Profil und Spurenbreite möglicherweise nicht genau diesem Entwurf. Ich behalte mir vor, auch die Anzahl der Spuren zu variieren, da Breite und Art der Überlappung der Spuren einen großen Einfluss auf die
Komposition des Bildes haben. (In Alternative Entwürfe / verworfen ist in Abb.2 ein Version mit nur drei Spuren zu sehen.)

Das Wandbild SPUREN bespielt sowohl die Flächen oberhalb als auch unterhalb der Treppe. Erdgeschoss und der "tote Raum" unter der Treppe werden mit einbezogen. Um dies gut sichtbar zu machen, wäre zu überlegen, ob ein Beleuchtung unter dem ersten Treppenabsatz machbar wäre.

Auch wären Lampen so auf die Wandflächen zu setzen, dass sie den Spuren nicht im Weg sind.

In Anbetracht dessen, dass die beim THW arbeitenden Menschen dieses Gebäude benutzen, wäre es für mich denkbar, die THW Belegschaft über verschiedene von mir zu erarbeitende (Farb-)Varianten abstimmen zu lassen.

Beurteilung durch das Preisgericht:

Das stilisierte Reifenmuster eines Teleladers im Maßstab 1:1 überzieht so die Wände und die Decke des Treppenhauses, dass der Eindruck entsteht, als ob das Fahrzeug mehrfach über diese Flächen hinweggefahren wäre. Dabei ist den Spuren der Vorderachse und der Hinterachse je eine eigene Farbe zugewiesen. Die Farbpalette selbst besteht aus blau-violetten und gelben Tönen. In einem Feldversuch vor Ort und in Zusammenarbeit mit den Ehrenamtlichen des THWs Kaltenkirchen sollen die exakten Reifenspuren des hauseigenen Teleladers erfasst werden. Dazu werden sowohl an den Reifen des Fahrzeugs die Profile
abgenommen als auch den Telelader tatsächliche Spuren fahren gelassen. Auch soll die Belegschaft vor Ort über die verschiedenen Farbvarianten abstimmen können. Das Preisgericht lobt den dynamischen, modernen und sehr zeitlosen Entwurf, der auch partizipative Aspekte berücksichtigt. Besonders lobend wird
hervorgehoben, dass sich der Entwurf über die architektonischen Begrenzungen hinwegsetzt. Positiv gewertet wurde auch die vielschichtige Spuren-Symbolik: der Einsatz des THWs hinterlässt keine Spuren am Einsatzort, jedoch positive Erinnerungsspuren bei den Betroffenen. Zudem hinterlässt die Gemeinschaft der
Ehrenamtlichen des THWs eine große Spur in der Gesellschaft und mit diesem Entwurf nun auch eine Spur in der Kunst. Der Entwurf ist ästhetisch ansprechend, architektonisch aufwertend, individuell zugeschnitten, aber dennoch abstrakt.