Nasan Tur - "Zum Schutze des Lebens"
Konzept:
Es entsteht ein Zwischenraum – ein Ort, der sich von der bestehenden Architektur bewusst abhebt und die Besuchenden in eine andere Wahrnehmungsebene versetzt: ein Reflexionsraum der Unendlichkeit.
Durch die Verspiegelung sich gegenüberliegender Wände scheint der Raum grenzenlos zu sein. Er verliert seine sichtbaren Enden und wird zum symbolischen Ort zwischen Wirklichkeit und Traum. Dieser Moment der Irritation unterbricht den gewohnten Ablauf des Alltags und eröffnet Raum zur inneren Auseinandersetzung.
Wer bin ich – und was tue ich hier?
Diese einfache, aber tiefgehende Frage steht im Zentrum der Installation. Der Raum lädt ein zur Selbstbetrachtung – buchstäblich und im übertragenen Sinn. In der Spiegelung begegnet man sich selbst, konfrontiert mit den Worten „zum Schutze des Lebens“, die sich über die Wände ziehen.
Der Schriftzug kann auch umgekehrt gelesen werden:
„Des Lebens zum Schutze“ – Die Bedeutung bleibt erhalten, unabhängig davon, welche Seite man zuerst erblickt. Erst auf den zweiten Blick erkennt man sich selbst im Spiegelbild – durchkreuzt von den Linien der Worte.
Diese bewusste Verschränkung von Text, Raum und Spiegelung eröffnet einen Dialog über Verantwortung: Die immense Tragweite, die mit dem Tragen und Einsatz von Schusswaffen verbunden ist – und gleichzeitig die zentrale Bedeutung polizeilicher Arbeit, nämlich das menschliche Leben zu schützen, notfalls auch unter Einsatz von Gewalt.
Der Raum wird so zu einem Ort der stillen Konfrontation – mit sich selbst, mit dem eigenen Handeln, mit dem ethischen Fundament des Berufes.
Ein Ort der Reflexion, des Innehaltens – ein Raum zum Schutze des Lebens.
ps. Die Worte „zum Schutze des Lebens“ sind inspiriert von den Grundprinzipien für die Anwendung von Gewalt und den Gebrauch von Schusswaffen durch Beamte mit Polizeibefugnissen, die 1990 vom Achten Kongress der Vereinten Nationen für Verbrechensverhütung und die Behandlung Straffälliger verabschiedet wurden.
Darin wird festgehalten, dass der Einsatz von Gewalt durch staatliche Organe immer dem Schutz menschlichen Lebens dienen muss – als oberstes Prinzip.
Beurteilung durch das Preisgericht:
Dieser Entwurf überzeugte vor allem inhaltlich. Er bezieht sich auf die Motivation und Intention der Übungen und damit auch der ganzen Institution, die
hier gemeint ist. Eine wirklich starke Idee und berührende Aussage. Doch auch in diesem Entwurf werden die Nutzer in einer Situation zur Selbstreflexion aufgerufen, die so für die meisten nicht leistbar ist. Mit ihrem Anspruch setzt sie zusätzlich unter Druck. Der ja im ethischen Verständnis und mit der anstehenden Prüfungsaufgabe sowieso schon vorhanden ist. Momente, in denen sich die Nutzer in diesem Bereich kurz vor der Schießübung – oder im Anschluss – befinden, sind emotional anspruchsvoll und lassen in dieser Zeit, an diesem Ort eine so starke Selbstreflexion, wie sie Spiegelung und Zitat erfordern, nicht zu.

Visualisierung: Nasan Tur