Bundesanstalt für Immobilienaufgaben

Patricia Westerholz – "Rematrix"

Konzept:
Von der prähistorischen Bandkeramik bis zur virtuellen Realität von Computerspielen und Filmen definieren Muster bestimmte Handlungsräume. REMATRIX möchte einen solchen symbolischen Handlungsraum öffnen - im Gang zu und von der Schießanlage. Der Titel REMATRIX verweist darauf, dass unser visuelles und psychophysisches Raumverständnis gleichzeitig archaisch und aktuell geprägt ist. Wir betreten jetzt den konkreten Raum (Gang) und begreifen: In seiner engen Bindung an Architektur wird das Ornament auch hier zum Handlungsträger. Zwar feiert die Bau- und Kulturgeschichte eher komplizierte Ornamentik. Doch stets beruht der ornamentale Effekt auf der serienhaften Wiederholung eines bestimmten Moduls. In der Arbeit REMATRIX ist das ein simples griechisch-byzantinisches Rhombenornament. Damit wurde auf einer Bodenfläche Tiefe simuliert, in reduzierter Farbigkeit.

Weiß, Grau und Anthrazit dominieren auch in der Abwicklung von REMATRIX. Dazu treten noch die jeweiligen, von der Beleuchtung abhängigen Effekte der Schattenfugen, die durch das Sgraffito-Relief entstehen. Auf den beiden gegenüberliegenden Wänden des Gangs entfaltet sich die Ornamentik von REMATRIX– auf einer Seite erhaben, auf der anderen vertieft. REMATRIX weicht allerdings dramatisch von der traditionellen „Bemusterung“ von Architektur ab. Denn auf beiden Seiten lösen sich intakte Sequenzen in ihre Bestandteile auf, setzen sich wieder zusammen, wirken einmal als flache Zeichnung und dann wieder als dreidimensionales Labyrinth. Die Größe der grafischen Elemente entspricht dem menschlichen Maß – analog zu Größenverhältnissen im virtuellen Spiel. Immersion scheint möglich.

REMATRIX wandelt dauernd die Gestalt. Sie wird so zum zeitlichen Ereignis, in dem sich Zerstörung und (Wieder)Aufbau abspielen. In frühen Computerspielen wie etwa „Tron“ (1982/2015) können wir die Dynamik derartiger Strukturen noch ganz leicht nachvollziehen. Ebenen und Muster entstehen und vergehen und ziehen uns in ihren Bann. Während es im virtuellen Raum vermeintlich keine Konsequenzen des Handelns gibt, schlägt REMATRIX den Bogen in die Wirklichkeit. Das Schießtraining, ein paar Schritte weiter, vollzieht sich anhand eingespielter Videosequenzen auch als Simulation. Sein Zweck ist jedoch ein lebensweltlicher und ruft mögliche Konsequenzen auf.

Beim Durchqueren von REMATRIX als einer Art Schleuse wird die digitale Logik zu einer realen Situation. Bewegung zu Beschleunigung. Dabei ist REMATRIX nicht einengend. Die räumlichen Verhältnisse des Durchgangs lockern sich geradezu entlang der rhythmischen Verdichtung und Auflösung der Ornamentik. Die dafür verwendete Technik ist – im Kontrast zu den digitalen Anmutungen – eine zutiefst handwerkliche. Mit der Kratzputztechnik ruft REMATRIX eine der ältesten Methoden zu Verzierung von Architektur auf, inklusive der reduzierten Farbigkeit und dem Potenzial für räumliche Täuschungen. Für die Stirnwand außerhalb des Gangs (Schleuse) entsteht eine weitere Gestaltung mit denselben Formelementen, hier allerdings in Umkehrung der Farbigkeit in Anthrazit über Weiß. Diese Wand prägt den Moment des Verlassens der Schießanlage. Hier wirkt das Ornament wie scharfgestellt, die weißen Doppellinien formieren ein Netz mit Punkten – fast wie optische Zielvorgaben.

Beurteilung durch das Preisgericht:

In der Arbeit Rematrix wurde mit dem ersten Eindruck auch der schöne ästhetische Entwurf lobend hervorgehoben. Der Anklang an traditionelle Gestaltungsweisen und Ornamentik. Die Idee geht diesem Aspekt bis zu zeitgemäßen Ausprägungen in Computerspielen nach. Und warf allerdings auch die Frage auf, ob damit nicht die Gefahr besteht, die Realität der hier arbeitenden Menschen mit einer virtuellen Realität gleich zu setzen. Also den sehr ernsten Bezug zur schützenden Funktion der Bundespolizei zu konterkarieren. Obwohl dies im Text der Künstlerin zur Sprache kommt, Betroffene darauf anders reagieren. Auch hier stand eher ein künstlerisch formaler Entwurf zur Diskussion, der dadurch nicht ganz überzeugen konnte. Bei genauerer Betrachtung wirken die Flächen sehr unruhig, möglicherweise sogar verwirrend auf vorübergehende Betrachter. Die Flursituation ist anders als in der Realität dargestellt.
Ungelöst schien auch die Frage, inwieweit die fragilen Sgrafitto-Reliefs – die leider in den Modellen durch eine andere Technik dargestellt waren – der alltäglichen Beanspruchung in „Arbeitsräumen“ mit Polizisten in voller Montur standhalten könnten.

Patrizia Westerholz Entwurf

Visualisierung: Patricia Westerholz