Bundesanstalt für Immobilienaufgaben

Thorsten Goldberg - „Findling (verpackt)“ 

Konzept: Betritt man das Hochschulgelände von Westen vorbei an langen Reihen von Fahrradständern, verjüngt sich der Weg sofort trichterförmig und man kommt nach etwa 20 m auf den unregelmäßig fünfeckigen Platz. Dieser dient als zentraler Verteilerplatz der Anlage und hier befindet sich der Haupteingang zum Lehrgebäude. Als solcher ist er quasi die Visitenkarte der Hochschule und trägt maßgeblich zur Wahrnehmung und Atmosphäre der Gesamtanlage bei.
Anders als Entrees es häufig sind, ist der Haupteingang zum Gebäude hier nicht an einer der hohen Fassadenteile und auch nicht zentral positioniert. Er ist kein Portal, sondern ist seitlich versetzt, ohne Auftreppung oder markanten Vorsprung, flach und ebenerdig und ohne imponierende Geste.
Auch der Platz davor verzichtet auf derartiges Theater. Hier steht eine kleine Baumgruppe, die, weil der Platz nach Süden ausgerichtet ist, notwendigen Schatten bietet, eine besonders einladende Atmosphäre schafft und den Platz damit zu einem freundlichen und angenehmen Aufenthaltsort gestaltet.
Hier eine hohe, weit sichtbare Kunst-Markierung zu setzen, hielte ich aufgrund der räumlichen und auch der atmosphärischen Gegebenheiten für unpassend. Es soll hier etwas stattfinden, das die einladende Geste des Ortes unterstützt.

Findling (verpackt):
Beim Bau wurden auf dem Gelände einige große und kleinere Findlinge ausgegraben und gelagert. Sie sollen auf dem Gelände verbleiben und in die Landschaftsgestaltung eingefügt werden. Ich schlage vor, einen der großen Findlinge zu sichern und ihn wie ein kostbares Geschenk gold-glänzend zu verpacken. In der vertrauten Art, wie man eine Süßigkeit oder eine Preziose in glänzendes Papier wickelt, indem man beide Enden der Verpackung in dieselbe Richtung dreht (wichtig, damit sie besser hält und damit sich durch gleichzeitiges Ziehen an beiden Enden die Verpackung aufdreht), soll der gefundene Stein in eine goldene Bronze-Umhüllung gewickelt werden. Er wird auf eine ebenfalls in Bronze gegossene Palette gesetzt und auf dem Eingangsplatz in den Schatten zwischen die drei Bäume positioniert. Bei einer Größe des originalen Findlings von etwa 130 x 60 x 80 cm ist er derart verpackt mitsamt den gedrehten Flügeln insgesamt etwa 4 m lang – also eine übergroße, goldene Preziose, die auf einer Transportpalette wie zwischengelagert dennoch prominent vor dem Haupteingang präsentiert ist.

Nur noch die äußere Form zeugt von dem Findling im Inneren – er ist vollständig verhüllt und also nicht mehr sichtbar. Zwar verweist der Titel der Arbeit auf den Inhalt, aber könnte das Päckchen nicht auch leer sein? Das ergäbe jedoch keinen künstlerischen Sinn. Die Arbeit befragt also das Vertrauen in die eigene
Urteilsfähigkeit und setzt auf das Erlernen des feinen Unterschieds zwischen Schwindel und der Echtheit einer Geschichte, jenseits aller Beweisbarkeit.
Den formulierten Aufgaben des Zolls liegen diese Fragen im Eigentlichen zugrunde. Erzähltes zu beurteilen, vermittelte Inhalte zu hinterfragen wird für folgende Generationen zunehmend wichtiger.
Und auch der Stein selbst hat eine höchst unwahrscheinliche Reise von seinem Ursprungsort bis hierher hinter sich, bevor er als Findling hier aus dem Boden gehoben wurde. Eine solche Reise erscheint nur von ihrem Ende aus erzählt plausibel. Von Anfang an erzählt, erschiene sie viel zu phantastisch und ganz unwahrscheinlich. Mit dem aufwändigen Einpacken des Findlings wird an diese unwahrscheinlich Reise angeknüpft – dieser Stein ist ein Gastgeschenk der Geschichte.

Thorsten Goldberg - Findling

Visualisierung: Thorsten Goldberg