Thorsten Goldberg - "Savings for a Rainy Day"

Konzept: Aus der großen Stahlbetonwand des Foyers vis-à-vis dem Eingang ragt in etwa 4,5 m Höhe eine übergroße, metallene Heugabel aus der Wand, die auf ihren beiden Zinken einen silberglänzenden Strohballen trägt. Der Ballen ist rechteckig gepresst, wird von zwei ebenso glänzenden, umlaufenden Schnüren gehalten und hat klassische Proportionen, ist aber gemeinsam mit der Gabel etwas überdimensioniert. Der Ballen ist komplett aus Silber mit dem Feingehalt 935/1000 gefertigt. Das Feinsilber für den Strohballen wird von genau der Hälfte des zur Verfügung stehenden Kunst-am-Bau Budgets eingekauft – es hat damit ein definiertes, aber ein rein zahlenmäßiges Verhältnis zum Bau. 

Der Stroh- oder Heuballen auf einer Heugabel ist als landwirtschaftliches Element zuerst einmal ein Fremdkörper in der Stadt und besonders in dem repräsentativen Foyer des Ministeriums, in dem es um Geld, Währung, Haushaltspolitik und Steuern geht – im ursprünglichen Sinne also in einer Welt der Zahlen und der Arithmetik.

Strohballen, Heuhaufen, Getreideschober (meules) folgen dem Prinzip der (komprimierten) Speicherung für zukünftige Bedürfnisse oder für unvorhergesehene Ereignisse. Dasselbe Konzept von Ersparnissen als Vorsorge für die Zukunft existiert analog in der Finanzwelt in der Form eines Fonds oder einer Reserve und wird mit dem Begriff des „Nesteggs“ – für zukünftige Investitionen oder mit „Rainy Day Fund“ – für unvorhergesehene Ereignisse bezeichnet. Dabei gibt es neben dem „Rainy Day Fund“ oder auch „Savings for a Rainy Day“ auch den „Emergency Fund“, als Fond explizit für Notfälle und den „Reserve Fund“ für zukünftige Investitionen oder Erweiterungen, im französischen den „Fonds de Prévoyance“ und den „Fonds de Réserve“, die für zukünftige Bedürfnisse aufbewahrt werden.
In allen gilt es, das Risiko einzuschätzen und eine angemessene Größe des Fonds zu bestimmen und diese Reserve haltbar zu machen oder im besten Falle in ein anderes Material zu transformieren, als das abzusichernde Gut, sodass es nicht auf dieselbe Weise untergeht (Gras zu Heu und Geld zu Gold …).

Der Strohballen aus wertvollem Metall auf der Gabel hoch oben im Foyer erzeugt viele Bilder: Stroh als Rohstoff und Nahrungsspeicher und Silber als konkreter, uralter und weltweiter Wert können als eine Allegorie für die kluge Vorsorge für unvorhergesehene Ereignisse (zukünftige Regentage) gelesen werden, ebenso als ein Vanitas Stillleben, das an die Hinfälligkeit irdischer Güter erinnert.
Gleichzeitig ist der Ballen aufgrund seines Materials, das noch heute als finanzielle Sicherung und Anlage dient und gehandelt wird, tatsächlich genau das wert, was er darstellt. Er kann genau beziffert und in jede Währung der Welt umgerechnet werden. Während der Silberballen still auf seiner Gabel ruht, wird sein Wert täglich neu verhandelt. Wie der Luftdruck die Flüssigkeit in einem Barometer steigen lässt, so verändern äußere Einflüsse die Bedeutung des Ballens im Foyer.                  

Der Silberballen ist mit etwas über Norm-Maß eines Strohballens in dem weitläufigen Foyer verhältnismäßig klein. Aber derart prominent an der ansonsten freien Betonwand auf den zwei Zinken der Gabel sitzend – wie auf der Handfläche eines ausgestreckten Arms balancierend – kann er, auch wenn der Raum voller Personen ist, von überall gesehen werden, außerdem vis-à-vis aus den Fenstern des ersten OG. Indem er in den Luftraum hineinragt, ändert sich die Ansicht bei eigener Bewegung und sein Schattenwurf wandert mit dem Sonnenstand (die Bild-Montagen sind korrekt ausgerichtet).                                                                                                                                      
Mit 84,1 x 59,4 x 50,0 cm zitiert er das DIN-Maß für Papier. Das heutige DIN-Maß hat seinen Ursprung in dem Steuergesetz Loi sur le timbre von 1798, das die Quadratwurzel aus 2 als Verhältnis für die gerechte Besteuerung von Papier festgelegt hat, in dem diese an die Papierfläche gekoppelt wurde und jede Halbierung oder Verdoppelung immer denselben Aspekt-Ratio – nämlich eine irrationale Zahl, die Quadratwurzel aus 2 – behält (130 Jahre später vom deutschen Normenausschuss übernommen).

Beurteilung durch das Preisgericht: 

Savings for a Rainy Day« bietet ein Bild aus einer bäuerlichen Tätigkeit an. Das Bild des geernteten Heuballens setzt viel vorausschauende Arbeit voraus und implementiert so im übertragenen Sinn eine Zukunft, die erarbeitete Werte bereithält und die noch nicht bekannt ist. Die Wahl des Silbers anstelle von Gold wird positiv hervorgehoben. Die Heugabel bezieht sich auf eine einzelne Person und thematisiert die Verantwortlichkeit des Individuums. Allerdings greift der Entwurf für den Ort unpassend auf Bildmotive aus Märchen zurück. Bietet er wirklich ein übertragbares Bild für die heutige Finanz- und Wirtschaftswelt?