Bundesanstalt für Immobilienaufgaben

Tom Früchtl - "Amplitudenschwankungen"

Konzept:

Wie fühlt sich der Moment an, nachdem ein Schuss abgegeben wurde? Welches Geräusch ist dann noch wahrnehmbar?

Motiv für die Arbeit Amplitudenschwankungen ist dieses Geräusch, diese akkustische Wahrnehmung nach dem Schuss, wenn sich eine Hallfahne im Raum ausbreitet. Für den Flurbereich der Raumschießanlage in Freising soll eine Audiokurve dieses Nachhalles in eine Grafik transponiert werden. Im Bereich der Musikproduktion sind Audiografiken zur Darstellung von Tönen bei Aufnahmen hilfreich, um Schnittpunkte oder Übersteuerungen optisch zu erkennen.

Die Grafik des Nachklanges soll an 3 Wänden im Flurbereich als wandfüllendes Ornament aus Edelstahl angebracht werden. Das Material Metall bezieht sich auf das Material des Projektiles und reflektiert durch die polierte, glänzende Oberfläche Licht und Farben in die Flure. Die gegenüberliegenden Wände sind in Grüntönen gestrichen und werden partiell in den spiegelnden Fragmenten der gegenüberliegenden Wände reflektiert. Die grünen Wandflächen schaffen Bezug zum Aussenraum und dem begrünten Dach. Die Dachform lässt sich auch in den geschwungenen Linien der Audiografik wiederfinden. Die Audiokurve als Ornament ist ein amorpher Gegenspieler zu den Vertikalen der Holzfassade und den Spuren der Holzschalung auf der Aussenmauer. Die Vertikalen können als Taktstriche oder Metrum der musikalischen Liniatur im Innenbereich gesehen werden.

Da das Edelstahlornament plan in die jeweiligen Wände eingespachtelt ist, entsteht eine sehr subtile Form auf den Wänden, die je nach Blickwinkel unterschiedliche Farben und Reflexionen auf ihrer Oberfläche zum Vorschein bringt. Ähnlich wie bei der Akkustik des Nachklanges, lässt sich die Form nicht wirklich fassen und scheint immer wieder zu verklingen. Das Muster reicht von der Schleuse der Raumschießanlage über den Eingangsflur bis zu den Fortbildungsräumen. So wie ein Klang sich durch die Räume ausbreitet, verbindet die Klangkurve die Flure mit einem großzügigen Gestus. Beim Durchschreiten der Gänge spiegeln sich neben den Grüntönen auch die Peronen in ihren Uniformen. Im Eingangsbereich ergeben sich darüberhinaus Reflexionen des Tageslichtes, das vom Innenhof in den Flur eindringt. Die Installation soll beruhigend auf die Polizeibeamten wirken und für eine angenehme Atmosphäre beim Betreten des Gebäudes und auf dem Weg zu den beiden Schießständen sorgen. Der rosa Punkt auf der Tür zu den Schießständen wirkt als farbiges Pendent zu den günen Wänden. Dieser Punkt ist der Schießübungssoftware Scatt entnommen, die Zielbewegung von Schützen mittels Infrarot aufzeichnet. Gleichzeitig markiert dieser Punkt im Gebäude die Schleuse zur Raumschießanlage. Der Punkt ist tranparent und taucht den Gang in einen angenehmen Farbton.


Beurteilung durch das Preisgericht:

Der Entwurf überzeugte durch seine prägnante, räumliche Bespielung der Flächen und den inhaltlichen Ansatz. Trotz der bewegten Formen strahlt dieser Entwurf Ruhe aus. Man konnte sich gut vorstellen, dass sich die Bundespolizisten durch verschiedene Assoziationen und Bezüge angesprochen fühlen. Der Schalldruck bei der Schussabgabe ist eine starke körperliche Empfindung – für Gehör und Gefühl. Mit dieser wesentlichen und eindrücklichen Erfahrung
arbeitet der vorliegende Entwurf. Die Dynamik der Schallwelle von Anspannung, Entladung, Nachhall wird visuell und auf hohem Niveau
künstlerisch sichtbar und erlebbar. Sie begleitet auf dem Weg durch die Räume und nach draußen. Es gibt unterschiedliche Assoziationsmöglichkeiten, auch mit dem Herzschlag. Die Spiegelung im Gebäude im Bezug zur Natur und im Übergang zur Raumschießanlage nimmt die Dachform auf, entwickelt sich aus dem Gebäude. Da sie plan mit der Wand liegt, ist sie keine Applikation, also stabil mit dem Raum verbunden.
Nach eingehender Diskussion aller Entwürfe wurde diese Arbeit einstimmig mit dem 1. Preis bewertet und zur Realisierung empfohlen, da sie alle künstlerischen, ästhetischen und inhaltlichen Aspekte anspricht.

Tom Früchtl - "Amplitudenschwankungen"

Visualisierung: Tom Früchtl