Andrea Knobloch - "Ikarus"
Konzept: Die fein ausbalancierten und bis ins Detail sorgsam entwickelten Baukörper und Freianlagen des Neubaus sind Ergebnis einer zeitgemäßen und geschmackvollen Gestaltung. Alles hat seinen Platz und an alles ist gedacht. Außerhalb des durch Zaun und Zugangskontrolle gesicherten Campus-Bereichs auf dem bis in den Straßenraum auskragenden Isobaren-Teppich zeigt sich eine in dieser geordneten Umgebung befremdliche, seltsam verbogene und verzogene, technoide Formation. Es könnte sich um ein abgestürztes Satellitensegel oder eine vom Sturm verwehte, blecherne Dachkonstruktion handeln. Silbrig glitzernd scheint sich das Objekt nach der unvermeidlichen Erdberührung wieder in die Lüfte aufschwingen zu wollen, seine glänzenden Flächen reflektieren Umgebung und Himmelsblau. Der Entwurf IKARUS nimmt die unendlichen Möglichkeiten, aber auch die Grenzen menschlichen
Erfindungsreichtums in den Blick. Supercomputer sind heute in der Lage, unvorstellbar ausdifferenzierte Klimamodelle zu erstellen, trotzdem kann es keine letzte Sicherheit darüber geben, ob alle relevanten Phänomene angemessen berücksichtigt wurden. Die Möglichkeit noch unentdeckter Einflussfaktoren wird niemals gänzlich auszuschließen sein. Der hoch fliegende Ikarus – der Sage nach ins Meer gestürzt, weil er die Macht der Sonne unterschätzte, deren Hitze
seine wächsernen Flügel zum Schmelzen brachte – ist Namensgeber des Entwurfs. Im Ensemble mit dem aufstrebenden EZMW-Hochhaus weist er auf die letztlich unbeherrschbare Kraft der Elemente, deren Vorhersage zentrale Aufgabe des Zentrums ist.
Kontext
Kunsthistorisch handelt es sich bei dem Entwurf IKARUS um eine „Drop-Sculpture“. Das Gebilde ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Geworfenes. Wie ein Ausreißer aus einem unbekannten funktionalen Kontext bricht es in einen anderen Zusammenhang ein und bleibt hier fremd. Als einen weiteren Bezugspunkt könnte man die Ruine im Landschaftspark heranziehen. Sie zeugt von einem längst vergangenen Status quo und erzeugt damit die konservatorische Aufgabe,
diesen Zustand unendlich zu konservieren. Auf IKARUS bezogen heißt das, den Moment der Erdberührung eines verwehten und dabei aus den Fugen geratenen, konstruktiven Gebildes, das der Erdanziehung für eine kleine Weile entkommen war, statisch sicher festzuhalten. Das bedeutet nichts Geringeres als den unvermeidlichen Verfall auszuschalten und damit naturgegebene, dynamische Veränderungsprozesse zum Stillstand zu bringen. IKARUS ist ein weiterer in der Reihe der bisher vergeblichen Versuche, Naturgesetze zu überwinden und die Zeit anzuhalten
Beurteilung durch das Preisgericht:
Die Arbeit mit dem Titel IKARUS setzt sich aus technoid anmutenden Metallplatten zusammen, die - an Wellblechdächer erinnernd - wie durch die zerstörerischen Kräfte eines Tornados losgelöst durch die Luft fliegen. Sie setzt sich aus gewellten, gewinkelten Flächen aus hochglänzendem Edelstahl zusammen, die kraftvoll verformt und eingeknickt sind. Ein deutlich sichtbares Stahlgerüst hält die einzelnen Teile zusammen. Die funktionalen Streben und Stützen an der Rückseite der Skulptur sind spannungsvoll zueinander gefügt. Sie betonen auch von der Rückseite die Dynamik und Wucht
der Arbeit. IKARUS erstreckt sich in circa 7 Meter Höhe, 7 Meter Breite und ist circa 6 Meter in die Tiefe und bildet formal einen leuchtend glänzenden Kontrast zur Strenge der vertikalen Ausrichtung der Architektur. Auf einen Sockel oder Sitzgelegenheit ist verzichtet, was der Unmittelbarkeit und künstlerischen Idee der Arbeit entspricht. Der Entwurf IKARUS nimmt die unendlichen Möglichkeiten, aber auch die Grenzen menschlichen Erfindungs-
reichtums in den Blick. Die Radikalität von IKARUS allerdings stößt beim Nutzer auf hartnäckigen Widerstand, da zu befürchten sei, dass eine negative Interpretation mit der des Instituts und mit der seiner kooperierenden Partnerinstituten konnotiert würde. Dies wurde intensiv und sehr konträr diskutiert.
Die künstlerische Konzeption, besonders die Unmittelbarkeit und bildliche Intelligenz *von IKARUS und deren stringente Umsetzung, wurde von der Kommission in hohem Maß gewürdigt.
*Zitat aus textlicher Erläuterung des/der Künstler/in: „Im Ensemble mit dem aufstrebenden EZMW - Hochhaus weist er auf die letztlich unbeherrschbare Kraft der Elemente, deren Vorhersage zentrale Aufgabe des Zentrums ist.“
Visualisierung: Andrea Knobloch