Antje Schiffers und Thomas Sprenger - "Gutes und schlechtes Regim"

Konzept: Zwischen 1337 und 1339 malte Ambrogio Lorenzetti im Palazzo Pubblico von Siena ein Fresko, das ihm vom Rat der Stadt in Auftrag gegeben worden war, um die Vorzüge der Republik zu loben. Es zeigt auf einer Seite die Herrschaft der Tyrannei und ihre zerstörerischen Auswirkungen, auf der anderen ein Bild gelingenden Zusammenwirkens von Landwirtschaft, Gewerbe, Handel und politischem Leben. Das Fresko wird verschieden betitelt: Auswirkungen der guten Regierung auf Stadt und Land oder auch Das gute und das schlechte Regiment.

Beauftragt mit einem Entwurf für die Kantine im Konferenzzentrum des Bundesministeriums für Finanzen in Berlin, schlagen wir ein Deckengemälde vor, das sich auf Lorenzettis Fresko aus dem 14. Jahrhundert bezieht.

Wenn es ums Essen geht, liegen Bilder von Getreidefeldern, Weinbergen, von ländlichem Anbau nahe, von einer gelingenden Verbindung zwischen Stadt und Land.

Das gute und das schlechte Regiment befasst sich mit einem topographischen Portrait der Stadt Siena und der von ihr kontrollierten Region, und darüber hinaus bezieht es Position zugunsten republikanischer Herrschaftsform. Im BMF treffen die Anliegen aller Ministerien aufeinander, unterschiedliche Bereiche politischer Gestaltung verschaffen sich hier Geltung, es wird über die Grundsätze guten Wirtschaftens entschieden. Wir stellen uns in die Tradition des im 14. Jahrhundert vom Rat der Stadt Siena beauftragten Künstlers und ebenso das BMF in die lange Tradition des Ringens um politische Entscheidung und Gewichtung.

Für die Kantine des BMF im Erdgeschoss des Neubaus ist eine Holzdecke vorgesehen, im Abstand von vier Metern durch Betonträger unterbrochen. Auf dem Fresko Lorenzettis teilt eine Stadtmauer das Bild vertikal. Die Dynamik der Stadtmauer nehmen wir auf und übertragen sie horizontal in das Deckengemälde, sich über alle Träger hinweg fortsetzend, alle Segmente verbindend. Lorenzetti zeigt eine erfassbare, im Ganzen erzählbare Welt. Wir fragmentieren diese Ganzheit. Wir kombinieren Nah- und Fernblicke und lassen uns von Comics ebenso inspirieren wie von Filtern digitaler Grafikprogramme und Bildvorschlägen der Künstlichen Intelligenz. Diese Bildwelten übersetzen wir zurück in Malerei – und verbinden uns damit wieder mit dem 14. Jahrhundert. Malen braucht viel Zeit. Diese Zeit sehen wir der Malerei an, wir merken die Sorgfalt, die in jeder Fläche steckt und die Bereitschaft, das, was nicht gelungen ist, nochmal anzugehen. Diese Ebene der erfahrbaren menschlichen Arbeit ist einem Bundesministerium und seiner Verantwortung für das Gemeinwesen angemessen.

Die Holzdecke der Kantine wird der Verbesserung der Raumakustik dienen. Hinter den Holzplatten befindet sich ein schallschluckendes Material, das Holz ist mit einem Raster von Bohrungen versehen. Das Deckengemälde akzeptiert diese Lochung und nutzt das funktionale Bauelement als Träger. Die Rasterung wird zum Bestandteil des Bildes.


Beurteilung durch das Preisgericht:

Die Deckenbemalung wird vom Preisgericht positiv als ein lang nicht mehr gesehener Ansatz beschrieben, der eine ungewöhnliche Raumgestaltung entstehen lässt. Nicht gut vorstellbar ist für das Preisgericht die Durchlöcherung der Malerei, die in jedem Fall die Farbigkeit verändert. Insgesamt wird die profane Materialität der rein technischen Akustikdecke als nicht wertig genug für eine Bemalung gesehen. Auch müssten technische Einbauten in der Decke berücksichtigt werden. Die Reminiszenz an das 14. Jahrhundert gefällt.