Cim Jubke - "Ohne Titel"
Konzept: Zentral für meine Arbeit am Bundesgerichtshof Karlsruhe ist die Institution, der Ort, der Raum und die zu bespielende Wand. Die aktuelle Kunst arbeitet meistens mit dem Ort, an dem sie ausgestellt wird. Gerade der Ortsspezifik kommt bei einer Kunst-am-Bau-Arbeit eine besondere Bedeutung zu und sie sollte eigentlich nur an ihrem Bezugsort funktionieren.
Am 1. Oktober 1950 zieht der Bundesgerichtshof in das ehemalige Gartenschloss in Karlsruhe, der Standort Karlsruhe wurde wegen seiner großen Entfernung zu Bonn und dem dort situierten Bundestag gewählt. 1953 nimmt der Europäische Gerichtshof seine Arbeit in Luxemburg auf, insbesondere Entscheidungen auf europäischer Ebene werden abgestimmt oder weitergegeben. 1991 wird infolge des Hauptstadtbeschlusses auch der Bundestag von Bonn nach Berlin verlegt. 1997 werden infolge der Wiedervereinigung der 5. und 6. Strafsenat von Karlsruhe nach Leipzig verlegt und bildet damit den letzen der fünf geografischen Punkte, welche die Form der Arbeit bestimmen.
Luftlinie, Karlsruhe-Luxemburg: 181 km
Luftlinie, Karlsruhe-Bonn: 213 km
Luftlinie, Karlsruhe-Berlin: 525 km
Luftlinie, Karlsruhe-Leipzig: 383 km
Die Abstände dieser vier Städte zu Karlsruhe werden als Ellipsen in einem Maßstab von 1:100.000 auf die Wand gemalt, das entstehende Motiv ist fächerartig, entspringt jedoch keiner geometrischen oder ästhetischen Regel sondern der Realität der Geografie der Standorte. Verglichen mit dem Fächer der Stadt Karlsruhe steht der entstandene Fächer verkehrt herum - eine Andeutung auf das Palais, welches auch verkehrt herum genutzt wird und welches das Hauptgebäude des Bundesgerichtshofs darstellt. Das Charakteristikum der Fächerstadt Karlsruhe, die sich auffächert und mit Offenheit und Transparenz möglichst in alle Richtungen Beachtung schenkt und die hohe Verantwortung dieses Gerichts nicht vergisst oder Bereiche des Fächers vergisst, wird auf die Wandmalerei und das Gericht übertragen, die Malerei wird zum doppelten Sinnbild dafür.
Die vor der Wand stehende Säule wird Teil der Wandmalerei und übernimmt die Arbeit eines in der Mitte liegenden Strahls, der das Bild des Fächers komplettiert. Die Säule bleibt unbemalt wird jedoch durch die Positionierung der Strahlen aktiviert. Mit einer monolithischen Präsenz und einer zurückhaltenden Formgebung, welche weitestgehend ohne aktuelle Trends auskommt, soll die Wandmalerei eine beruhigende Wirkung auf die Gäste der Kantine haben. Die vier langgezogenen Ellipsen welche die Strecken beschreiben, können auch als einzelne Ellipsen in ihrer sensiblen Ausmalung gesehen werden.
Die Rationale Berechnung der Ellipsen (ihre Breite wird von der Länge vorgegeben und die Länge von der Luftlinie zwischen den Städten) wird kontrastiert von der Lebendigkeit des Pinselstrichs und der Farbe. Die verwendeten Pinsel sollen klein und die Farbunterschiede minimal sein, um ein malerisches Flimmern an der Wand zu erzeugen. Die transparenten Farben werden Stück für Stück übereinander gelegt und von Erdtönen bis zu hellen Lila-, Blau- und Purpurtönen reichen. Größtenteils wird die Wand in ihrem Sichtbetonzustand bleiben. Die Ellipsen werden abgeklebt und die restliche Wand maskiert, so dass diese sauber bleibt. Die Grundierung, die technisch einen wichtigen Teil der Arbeit darstellt, wird in bis zu 30 Schichten aufgetragen und zwischendurch immer wieder abgeschliffen. Die dadurch entstehende komplett glatte Oberfläche wird sich farblich an der Sichtbetonwand orientieren, um nur einen leichten Unterschied in Haptik und Farbe zu suchen und eine Optik ähnlich der von Intarsien.
Beurteilung durch das Preisgericht:
Die Jury würdigt den Entwurf mit seinem gut durchdachten Bezug zu manifesten Begebenheiten und seiner zarten, inspirierenden Ästhetik. Die Komposition stellt eine gute Verbindung zur Architektur her und wird daher als passend zum Ort gewertet.