Bundesanstalt für Immobilienaufgaben

Corinne Wasmuth - ​"O.T."

Konzept: Mein Entwurf für das Interim Bundespräsidialamt wird mit der Architektur korrespondieren und die Räume mittels vier unterschiedlicher Bildkonzepte nach “Außen” hin öffnen. Einerseits indem ich einen Blick nach “Draußen” evoziere und andererseits einen Blick in eine innere Gedankenwelt darstellen möchte. Die “Bilder” verstehe ich als eine Art Fenster zur äußeren Welt und gleichzeitig als Spiegel der eine kollektive Innenwelt reflektiert. Im geschützten Raum des Interim Bundespräsidialamtes taucht so der Alltag einer Stadt, die konkrete Umgebung des Gebäudes, aber auch Assoziationen, fragmentierte Erinnerungen oder Projektionen einer potenziellen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auf.

3. EINGANG PROTOKOLLVORFAHRT
An der Stirnwand, auf die der erste Blick beim Betreten des Gebäudes fällt, hängt mittig eine großformatige Malerei (293 x 320 cm, Öl auf Holz), die einen Ausblick auf eine am Horizont erkennbare Stadtsilhouette freigibt. Die Illusion einer städtischen Topografie macht den Eingangsraum Protokollvorfahrt optisch größer als er tatsächlich ist, da das Gemälde die Raumflucht proportional bis zum gemalten Horizont hin erweitert. Die räumliche Weite und lichte Atmosphäre des Gemäldes empfängt die Besucher in einer positiven, hellen Stimmung und es lassen sich bei näherer Betrachtung viele Details und
Farbnuancen entdecken.

2. SÜDLICHE AUFZUGSLOBBY
Die zweite große hochformatige Malerei (210 x461 cm, Öl auf Aluminium) hängt an der 7,25 m vertikalen Wandfläche, welche auch vom verglasten Gang des darüber liegenden Stockwerks aus betrachtet werden kann. Dadurch ergeben sich zwei mögliche Ansichten auf das Bild. Die großen weißen Flächen auf dem Bild sollen auch hier den Raum aufhellen und sich in den Raum “integrieren”. Genauso wie das erste Gemälde arbeitete ich mit einem Effekt der
Fernwirkung (die Komposition des Bildes mit dem weißen Baum und dem Himmel) und gleichzeitig, wegen der vielen Details und Farbnuancen, einer extremen Nahwirkung. Das Bild zeigt eine collagierte Parkszenerie mit alten Bäumen, einer Lichtung und Fragmenten von Gebäuden im Vorder- und Hintergrund. Ein Ort wie er im Hansaviertel im Berliner Tiergarten, als auch im New Yorker Central Park bzw in den meisten Metropolen zu finden ist. Konkret wurden hier jedoch Ansichten des Parks verwendet, der sich tatsächlich direkt hinter dem Gebäude befindet. Der reale Park bekommt somit ein Gegenüber und erscheint auf dem Gemälde wie eine phantastische Spiegelung. Ähnlich wie bei dem Gemälde im Eingang Protokollvorfahrt wird der Blick der Betrachter in die Tiefe des Bildraumes (ebenfalls mit Hilfe eines angedeuteten Weges) gelenkt. Erscheint das Bild in der Fernsicht mit seinen großen weißen aufgefächerten Flächen fast abstrakt und kristallin, breiten sich in der Nahsicht mannigfaltige Varianten organischen Formenreichtums aus. Assoziationen, die
an Motive der deutschen Romantik und an die Berliner Tradition der Gartenkunst anknüpfen, sind dabei durchaus beabsichtigt.

1. SCHAUFENSTER CAFETERIA
Die Fensterflächen der Cafeteria richten sich zur Straße Alt-Moabit, deren Charakter von einer Bürohausarchitektur neueren Datums geprägt - und typisch für die Umgebung des Berliner Hauptbahnhofes ist. Das Fensterband dient daher eher als Quelle natürlichen Tageslichtes, denn als erbaulicher Panorama-Ausblick. Mein Vorschlag für das breite dreiteilige Fenster in der Cafeteria besteht darin, diesen “grauen” Ausblick durch eine transparente Überlagerung zu modifizieren, welche zudem von der Straßenseite aus gesehen wie ein Sichtschutz vor unangenehmen Blicken in die Cafeteria hinein funktioniert. Auch hier möchte ich einen Raum simulieren, um eine sogartige Tiefenwirkung zu erzeugen. Der streng zentralperspektivisch konstruierte Platz korrespondiert (auch indem er wieder signifikante Elemente der urbanen Umgebung aufgreift) mit dem Gemälde im Eingangsraum Protokollvorfahrt. Es handelt sich um ein Vexierspiel mit Perspektiven und deren Spiegelungen. Die lineare Zeichnung des städtischen Raumes wird mittels einer transluzenten oder (auch alternativ)
deckenden hochwertigen, lichtechten Klebefolie auf der Scheibe angebracht (…möglich wäre es auch, das Motiv mittels Siebdruckverfahren auf die Scheibe zu drucken). Die Betrachter sehen eine futuristische Stadtvedute, die sich bei Sonnenschein in eine Art von Kirchenfenster (falls die transluzente Folie verwendet wird) bzw. in einen aus sich selbst heraus leuchtenden Screen verwandelt. Ist die Cafeteria bei Nacht innen beleuchtet, ist dieser Effekt wiederum von der
Straßenseite aus zu beobachten. Der Blick auf die Stadtvedute wird zudem durch die sichtbare real existierende Stadt gedoppelt und von Verkehr und Fußgängern belebt. Realität und Simulation durchdringen sich und verschmelzen im besten Fall miteinander. Auch hier spiele ich mit Künstlichkeit und Abstraktion, Erinnerung und Projektion, Außenwelt und Innenwelt, Bildraum und realem Raum. Die unterschiedlichen Tageslichtverhältnisse verändern den Eindruck und lassen die Stadtansicht im wahrsten Sinne des Wortes ständig in einem anderen Licht erscheinen. Die dadurch aufscheinende Bewegtheit des “Glasbildes” ist mir wichtig, da die Verweildauer in der Cafeteria deutlich länger, als in den “Durchgangsräumen” ist.

5. WANDELHALLE 6.OG
Für die Wandelhalle im 6.OG des Gebäudes, sieht mein Entwurf einen Sonnen-Fries vor, der die gesamte Länge der Wand einnimmt. Die Reihung der im Siebdruckverfahren erstellten Sonnenmotive greift die Struktur der seriellen Abfolge der säulenartigen Fensterfront gegenüber auf, die den Blick in den Himmel über Berlin schweifen läßt. Das Band besteht aus 26 aneinandergereihten Sonnen, die obwohl motivisch und farblich unterschiedlich, in der Gesamtansicht ein bewegtes abstrakt-ornamentales Band aus Sonnenkugeln, die sich in der Form von Sinuskurven zu bewegen scheinen, zeigt. Es entstehen
Assoziationen an fotografische Zeitraffer-Darstellungen des Mond- und Sonnenlaufes am Himmel und die damit eingeschriebenen Themen von Zeit, Tag und Nacht und physikalischer Kontinuität. In der Nahsicht werden die Details der Motive (Wolken, Architektur- und Landschaftsfragmente, Reflexionen, Pflanzen) als Einzelmotive ins Augenmerk fallen. Ich verwende hierfür Aufnahmen von Sonnen, die während meiner Reisen in allen Teilen der Welt und in Berlin entstanden sind. Damit schließt sich der Kreis meines vierteiligen Entwurfes für das Interim Bundespräsidialamtes, der das gegenwärtige urbane Leben auf der Straße hier und jetzt mit der Natur und übergeordneten Themen wie Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft in einen größeren “kosmischen” Zusammenhang stellt.

Beurteilung durch das Preisgericht: Drei Standorte werden mit einer Erzählstruktur abstrahierter futuristischer Stadtveduten bespielt, die Innen- und
Außenraum miteinander verbinden. Für Standort 1 wird ein Glasbild vorgeschlagen, für die Standorte 2 und 3 großformatige Ölgemälde, die die Räume panoramaartig erweitern. Der Entwurf überzeugt durch die akribische Sorgfalt der Malweise. Fragmente einer fiktiven urbanen Umgebung werden übereinander gelagert, sodass sich auch bei den Betrachter/-innen Erinnerungen und Assoziationen miteinander verschränken. Die künstlerische Sprache
zeigt einen subtilen Umgang mit einer zeitgenössischen Formensprache, in der sich mittels perspektivischer Verzerrungen und scheinbarer Verpixelungen Vergangenheit und Gegenwart überlagern und zu etwas Neuem verbinden. Ein narrativer Bildzusammenhang und der charakteristische künstlerische Stil von Inhalt und Komposition stellt eine harmonisch-ästhetische Verbindung innerhalb der Standorte des Hauses her und gibt seiner repräsentativen Rolle einen adäquaten Rahmen. So beschreiben die Kunstwerke einen urbanen Raum im Inneren des Gebäudes, aber auch in ihrer Farbe werden die Ölgemälde das vorhandene Licht reflektieren und wird das Glasbild das Licht zu einem integrativen Bestandteil der Arbeit machen. Dass die Künstlerin oder der Künstler verschiedene Farbnuancen der Werke vorschlägt, zeigt die Bedeutung der Farbe in Relation zu ihrem jeweiligen Standort. Insgesamt überzeugt die Arbeit die Jury durch eine außerordentlich hohe künstlerische Qualität, durch ihre inhaltliche Auseinandersetzung mit von Menschen - auch zukünftig - gestalteten Räumen und ihrer Verbindung zur Architektur. Für den Standort 5 ist ein Sonnen-Fries aus 26 Sonnenkugeln vorgeschlagen, der Assoziationen zu fotografischen Zeitraffer-Darstellungen des Mond-und Sonnenlaufs erzeugen soll. Aus Sicht der Jury verbindet sich dieser Vorschlag weniger überzeugend mit den anderen Standorten.

Entwurfsansicht Corinne Wasmuth