Mariana Castillo Deball - "Sciences Diagonales"
Konzept: Das Kunstwerk reflektiert die Identität der BAM, indem es sich mit ihrer Funktion, der Architektur des Neubaus und der umgebenden Landschaft auseinandersetzt. Die Installation erstreckt sich entlang des Groß-Berliner Damms im Außenbereich des Gebäudes und verleiht dem Bauwerk durch ihre monumentale Größe eine zusätzliche Präsenz.
Das Kunstwerk besteht aus einer Gruppe von sechs Säulen, deren Höhen zwischen 3,5 m und 5,75 m variieren. Die Säulen sind aus glasierten Keramikskulpturen gefertigt und werden von einer in verschiedenen Farben lackierten Stahlkonstruktion getragen. Die Säulen repräsentieren ein Wahrzeichen und markieren die Präsenz des Gebäudes. Dadurch wird der BAM eine spezifische Identität verliehen.
Durch die Einbindung in den Garten werden die Säulen zu einem integralen Bestandteil des Ökosystems und interagieren mit den Pflanzen, Wegen und Elementen der Grünanlagen. Die genaue Positionierung der Säulen im Verhältnis zu den geplanten Bäumen und Pflanzen ist mit dem Landschaftsplanungsbüro abzustimmen, um eine harmonische und integrierte Lösung zu gewährleisten. Die Säulen sind wie folgt geplant: Eine erste Gruppe von drei Säulen befindet sich neben dem Haupteingang des Gebäudes, zwei weitere stehen an der Ecke Groß-Berliner Damm/Georg-Schendel-Straße und die letzte an der Ecke Groß-Berliner Damm/Pfarrer-Goosmann-Straße.
Im Zentrum Roger Caillois Konzepts der Sciences Diagonales (deutsch: Diagonalen Wissenschaft) steht eine Denkweise, die sich nicht auf bestimmte Disziplinen beschränkt, sondern ungewöhnliche Verbindungen herstellt und so ein großzügiges und umfassendes Gedankengeflecht entwickelt. Roger Callois war ein französischer Intellektueller, dessen Werk Literatur, Poesie und Philosophie miteinander verband, indem er sich mit unterschiedlichen Themen der Welt wie Mineralien, Träumen und Bildern beschäftigte. Bei der Lektüre seiner Texte hat man den Eindruck, dass selbst das vermeintlich Unbedeutende, Gegenstand von Interpretationen sein kann.
Sciences Diagonales fungiert als interdisziplinäre Schnittstelle und fördert den Dialog zwischen verschiedenen Fachgebieten. Sie durchdringen unsere gemeinsame Welt und machen verborgene Komplikationen evident sowie vernachlässigte Zusammenhänge erkennbar. Eine Herausforderung für die Forschung besteht darin, dass Wissenschaftler*innen in der Regel nur in ihrem eigenen Forschungsgebiet tätig sind und selten die Entdeckungen anderer Kolleg*innen wahrnehmen. Dies ist mit der Situation eine*r Minenarbeiter*in vergleichbar, der*die einen eigenen Tunnel gräbt, ohne die Funde der anderen zu berücksichtigen.
Der Begriff der Sciences Diagonales von Roger Caillois nimmt eine zentrale Stellung in meiner künstlerischen Praxis ein, da er eine vergleichende Untersuchungsmethode mit dem surrealistischen Bestreben verbindet, scheinbar unvereinbare Phänomene zusammenzuführen. Die komparative Methode ermöglicht Caillois eine detaillierte Analyse seiner surrealistischen Vorliebe für das Paradoxe. Diese manifestiert sich in dem Bestreben, etablierte Kategorien zu transzendieren und neue Perspektiven zu eröffnen.
Die von den Sciences Diagonales angestrebten Verbindungen, die von den standardisierten Wissenschaften der Akademie oft nicht berücksichtigt werden, eröffnen die Möglichkeit, sich auf einem unbestimmten Terrain zwischen verschiedenen Wissensgebieten zu bewegen, sich festen Definitionen zu entziehen und somit einen kreativen Denkansatz zu fördern.
Garten: Keramiksäulen
Konkret besteht die künstlerische Arbeit aus sechs Keramiksäulen variierender Höhen, die aus einzelnen Stücken mit unterschiedlichen Eigenschaften und Ausfertigungen hergestellt werden. Ausgangspunkt der künstlerischen Arbeit sind Proben von Natursteinen, Mischmaterialien, recycelten und künstlichen Materialien, die visuell vergrößert werden. Jedes dieser vergrößerten Exemplare wird aus Keramik gefertigt und mit verschiedenen Oberflächenbehandlungen glasiert.
Die Keramik stellt für mich eine Technik dar, die der Mensch bereits seit Jahrtausenden entwickelt und bis heute verwendet. Ihre Anwendungsgebiete sind äußerst vielseitig und reichen von alltäglichen Haushaltsgegenständen wie Gefäßen und Tellern bis hin zu anspruchsvollen Anwendungen in der Bauindustrie und der Medizin.
Für den Projektvorschlag habe ich mich von verschiedenen Materialarchiven inspirieren lassen. Mein besonderes Interesse gilt der Kombination unverarbeiteter Materialien und der Entwicklung menschengemachter Techniken, die den technologischen Wandel maßgeblich beeinflusst haben.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf dem Thema Nachhaltigkeit, wobei insbesondere die Möglichkeiten der Wiederverwertung von Materialien im Hinblick auf die Vermeidung von Abfall und Umweltverschmutzung von Relevanz sind. Dabei wird jedoch auch die Tatsache berücksichtigt, dass bestimmte Industrieabfälle nicht oder nur eingeschränkt recycelbar sind.
Im Falle des Zuschlags ist eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Thema der einzelnen Säulen vorgesehen, um eine narrative Komponente in den Skulpturen zu implementieren. Als Inspiration dient dabei der Surrealismus, insbesondere die poetische Erzählweise der Cadavre Exquis (Eine im Surrealismus entwickelte spielerische Methode, die den Zufall bei der Entstehung von Texten und Bildern miteinbezieht.).
Die Intention meiner Skulpturen liegt in der Schaffung eines Portals der Neugierde und des Vergnügens, das den Betrachter zur Reflexion über die Freude von Wissen und Materialexperimenten anregt. Zu diesem Zweck werden eine Reihe handgefertigter, vergrößerter Materialproben gezeigt, die sich durch eine hohe Farbvielfalt, Texturvielfalt sowie Formvielfalt auszeichnen.
Foyer: Mosaik
Der Vorschlag umfasst eine Erweiterung, die das Kunstwerk auch in das Foyer des Gebäudes integriert. Im Foyer vervollständigt ein kreisförmiges Mosaik mit einem Durchmesser von 5 Metern, bestehend aus Keramikstücken und Zement, die Installation.
Dieses Kunstwerk empfängt die Besucher der BAM und spiegelt die Farben und Ästhetik sowohl der Säulen als auch des neuen BAM-Gebäudes wider, wodurch eine visuelle Verbindung zwischen den Außen- und Innenräumen entsteht. Die Fragmente haben die gleichen keramischen Glasuren wie die Skulpturen der Außensäulen, und die Zementbasis, in die sie eingebettet sind, ist ein ähnliches Rot der Gebäudefassaden. Einige skulpturale Elemente der Säulen sind als individuell erkennbare Elemente im Mosaik integriert.
Das Mosaik folgt derselben theoretischen Grundlage wie die Säulen und erforscht Themen wie Fragmentierung und den Kreislauf von Materialien.
Durch die Kombination mehrerer skulpturaler Elemente im Außenbereich der BAM mit dem Mosaik als zentralem Punkt im Foyer zielt der Vorschlag darauf ab, die Mission der BAM auf eine vielschichtige, aber ansprechende Weise auszudrücken und seine Identität zu verkörpern.
Die Keramikfragmente werden im Studio der Künstlerin Mariana Castillo Deball hergestellt, ebenso wie die Skulpturen der Säulen. Dadurch wird eine ästhetische Einheitlichkeit der Werke gewährleistet. Das Mosaik wird vor Ort mit Hilfe erfahrener Handwerker angefertigt, die auf Zement- und Mosaikarbeiten spezialisiert sind. Zuvor werden umfangreiche Testphasen durchgeführt, um die beste Technik für das gewünschte Ergebnis zu entwickeln.
Die größeren Keramikfragmente können mit Flachrelief-Details versehen werden, die die Oberfläche rutschfest machen und die Komplexität des Kunstwerks erweitern.
Beurteilung durch das Preisgericht:
Der Bezug zur BAM wird auf der inhaltlichen Konzeptebene positiv bewertet. Die Verbindung zu den „Sciences Diagonales“ kann nicht ganz nachvollzogen werden. Keramik als Material wird als zu empfindlich bewertet. Formal kann der Entwurf die Jury nicht überzeugen.