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Peter Sandhaus  - "BUTTERFLY"

Konzept: Wenn ein Schmetterling in Bonn mit seinen Flügeln schlägt, kann dies in zwei Wochen einen Tornado in Texas mit auslösen. Bereits ein winziger Impuls in der Atmosphäre kann enorme globale Auswirkungen haben. Dies ist allgemein bekannt als der „Butterfly Effect“.

Diese Metapher wird oft im Zusammenhang mit der Chaostheorie verwendet, jedoch wird sie häufig falsch oder zumindest unvollständig verstanden. Es gibt
eine tiefere, oft übersehene Seite des Schmetterlingseffekts, die die Theorie der Vorhersagbarkeit des Wetters noch faszinierender macht.

Der Schmetterlingseffekt wurde zufällig von Edward Lorenz - einem Mathematiker und Meteorologen - und seinen beiden Kolleginnen Ellen Fetter und Margaret Hamilton entdeckt. Sie untersuchten ein mathematisches Modell für die atmosphärische Konvektion. Dieses bestand aus drei einfachen Gleichungen, die beschreiben sollten, wie sich drei Variablen des Wetters – Wind, Temperatur und Feuchtigkeit – über die Zeit entwickeln.

Während einer Simulation wollte Lorenz eine Berechnung wiederholen und nahm dafür der Einfachheit halber die auf drei statt auf vier Dezimalstellen gerundeten Werte. Doch statt der erwarteten mehr oder weniger gleichen Ergebnisse wie zuvor, drifteten die beiden Simulationen sehr schnell sehr weit auseinander, obwohl sie fast identische Anfangswerte hatten.

Die Forschenden erkannten, dass schon winzige Abweichungen in den Anfangsbedingungen zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen führen können. Dies
bedeutet, das die genaue Vorhersagbarkeit des Wetters aufgrund der chaotischen Natur der Atmosphäre - auch mit heutigen Supercomputern - prinzipiell sehr stark begrenzt ist.

Die graphische Darstellung dieser heute als Lorenz-System bekannten Gleichungen wird “Seltsamer Attraktor” genannt: eine räumlich gekrümmte, mathematische Fläche, auf dem alle möglichen Zustände des simulierten Systems liegen. Die Trajektorien - also mathematische Kurven - auf dieser Fläche sind aperiodisch, d.h. sie wiederholen sich nie und sie überschneiden sich nicht.

Die mathematische Eleganz der Simulation und die Tatsache, dass die generierte Fläche mit ihren zwei dynamisch geschwungenen Flügeln gleichsam an
einen Schmetterling erinnert, haben sicher zur globalen Bekanntheit und zur wissenschaftlichen Signifikanz des Schmetterlingseffektes beigetragen.

Für die Skulptur “BUTTERFLY” habe ich diese einfache Wettersimulation 1000 mal laufen lassen, und zwar mit Anfangswerten, die nur minimal von einander
abweichen. Die einzelnen Trajektorien sind im Gesamtbild noch nachvollziehbar. Sie laufen zunächst dicht nebeneinander los, weichen aber schon nach kurzer
Zeit stark voneinander ab. Fast identische Anfangswerte führen schon nach kurzer Zeit zu völlig unterschiedlichen Kurvenverläufen, und sagen damit ein
völliges anderes Wetter vorher. Optisch und mathematisch spannend ist dabei die Beobachtung, dass die Kurven sich tatsächlich niemals schneiden, selbst dann nicht, wenn Sie in ihrem Verlauf an völlig unterschiedlichen Stellen von dem einen Schmetterlingsflügel auf den anderen wechseln.

In der künstlerischen Übersetzung als monumentale Bronzeplastik für dasEuropäische Zentrum für Mittelfristige Wettervorhersage bleibt sowohl das
natürlich Anmutende als auch das mathematisch Präzise der Figur spürbar.

Für mich ist das Besondere daran, dass jede Bewegung in einem solchen System einzigartig ist. Jede Konfiguration von Wind, Temperatur und Feuchtigkeit in der Atmosphäre ist einmalig und wird nie wieder genau so auftreten. Die Chaostheorie zeigt uns, dass jeder Moment auf diesem lebendigen Planeten einzigartig ist – eine unwiederholbare Erfahrung, die wir in ihrer Flüchtigkeit schätzen sollten.

“BUTTERFLY” thematisiert nicht nur diese extrem sensiblen Zusammenhänge in der Atmosphäre unseres Planeten, sondern auch ihre fließende Vergänglichkeit und Einzigartigkeit. Der Schmetterlingseffekt markiert einerseits einen großen Schritt nach vorn beim Verständnis dieser Zusammenhänge und zeigt gleichzeitig die Grenzen ihrer Vorhersagbarkeit auf.

Das Kunstwerk gibt diesem Meilenstein in der Entstehungsgeschichte der Wettervorhersage eine plastische und wiedererkennbare Verkörperung. Es entsteht
ein Kunstwerk mit ikonischer Symbol-Qualität, dass am Eingang des EZMW ein starkes Zeichen mit hohem Identifikationswert für die gesamte Institution setzt.

Beurteilung durch das Preisgericht:

Der Entwurf „Butterfly“ bezieht sich auf den sogenannten Schmetterlingseffekt. Dieser beschreibt die schnelle, oft zunächst unvorhersehbare Dynamisierung von meteorologischen Ereignissen, die über minimale Verschiebungen der Ausgangsparameter (zum Beispiel Wind, Temperatur und Feuchtigkeit) eintreffen können. Die organische Freiform aus Bronze überzeugt durch ihre visuelle Klarheit. Der komplexe Grundriss einer in sich gedrehten Form aus zwei ineinandergreifenden Flächen wird verstärkt durch eine feine Binnenlinierung. Diese entsteht durch die Oberflächenbearbeitung des Materi-
als, das teilweise poliert, teilweise bewusst verdunkelt patiniert wird. Die Arbeit greift formal Entwicklungen der Skulptur der frühen Moderne auf. Durch die Nutzung eines klassischen bildhauerischen Materials mit Ewigkeitscharakter adressiert sie eine überzeitliche Rolle der Kunst. Sie öffnet einen Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft. Kritisch wird gesehen, dass die Arbeit trotz ihres interessanten Ansatzes wenig innovativ ist. Die Nutzung des Sockels als kommunikativer Ort wird einerseits positiv hervorgehoben, andererseits trägt dies zu der überaus klassischen Wahrnehmung der Arbeit bei. Zu beachten wäre, ob der im Text als „gewünscht“ beschriebene Alterungsprozess dem Werk nicht wesentliche Qualitäten wegnimmt, da gerade die feine Binnenzeichnung für
die Arbeit entscheidend ist.

Peter Sandhaus Butterfly

Visualisierung: Peter Sandhaus