Sarah Degenhardt - „Zwischentöne“
Konzept: Die Wandarbeit „Zwischentöne“ ist eine subtile Wandmalerei, die sich inhaltlich auf die psychologischen und soziologischen Aspekte der Rechtsfindung bezieht. In jeder Art von gerichtlichem Verfahren muss am Ende ein klares Urteil stehen, im Falle des Bundesgerichtshofes, ob eine Revision begründet ist oder nicht. Auch wenn wir in einem Rechtsstaat leben, der es versteht Gesetze zu verfassen und anzuwenden, welchen die Judikative untergeordnet ist, stehen wir in einem konkreten Verfahren vielen Details, Einzelheiten, Eigenheiten, womöglich Zufällen, Lücken und Fehlräumen gegenüber. Das Konzentrat aus Wörtern, das unser Gesetz bildet, wird in einem Verfahren aufgespannt und ausgebreitet zu einem Feld in dem sich die juristische Argumentation abspielt. Zwischen dem Wortlaut entspannt sich ein Spielraum, in dem nach der korrekten Auslegung des Rechts geforscht wird. Oft ist es nicht einfach klar, weder richtig noch falsch. Die Nuancen, die den Bereich zwischen Ja und Nein füllen, müssen im Prozess der Rechtsfindung durchwandert werden um zum einen oder anderen Schluss zu gelangen. Um diesen wesentlichen Aspekt der Rechtsfindung aufzugreifen, entwickelte ich die Wandarbeit „Zwischentöne“, die sich einer Visualisierung dieses graduellen Raums zwischen zwei Polen annimmt. „Zwischentöne“ besteht aus einer Malerei, die sich über eine ca. (hxb) 200 x 430 cm große Fläche auf der Wand erstreckt, sowie auch die Säule miteinbezieht. Ein in Halbtönen gerastertes Bild aus in Helligkeitsstufen graduell abgestuften, feinen Verläufen, ähnlich einem Vorhang, wird in einer Lasur aus bordeauxvioletter Farbe direkt auf die Wand aufgetragen. Unter ihr schimmert ein ebenfalls lasurartig aufgetragenes Blau hervor. Mit demselben Blau wird die vor der Wand stehende Säule lasurartig gefärbt und damit mit in die Malerei integriert. Der graduelle Verlauf der Farbe bildet eine spannungsvolle Wechselbeziehung zu den Linien des Halbtonrasters. Ihre Rhythmik bildet eine Art „Ordnung“ oder „Raster“, dem gegenüber sich die graduelle Farbfläche frei, schwebend, nicht klar definierbar verhält. Obwohl sie das Bild scheinbar zerschneiden, sind wir dennoch in der Lage die fehlenden Linien in unserem Kopf zu vervollständigen. Durch den direkten Farbauftrag auf den Beton, bleibt die dem Sichtbeton eigene Struktur weiterhin sichtbar und durchscheinend. Mehr noch kommen die dem Beton innewohnenden kleinen Verläufe, Körner und Unregelmäßigkeiten dem graduellen Farbfeld zu Gute und geben ihm eine Struktur. Die Silikatfarbe von Keim verbindet sich mit dem Sichtbeton zu einer matten Färbung, womit dem Raum eine subtile Farbkomponente hinzugefügt wird. Die Säule tritt aus ihrer reinen Zweckmäßigkeit als Stütze hervor, wird mit ihren feinen flächigen blauen Färbungen hervorgehoben und erhält als ausgelagerte Farbfläche eine wesentliche Rolle für die Wahrnehmung der Wandarbeit aus verschiedenen Perspektiven. Das Prinzip der Materialehrlichkeit erhält eine wichtige Bedeutung im Konzept, mit dem Vorhandenen zu arbeiten entsprechend, nur die Farbe und die Idee in die Architektur zu bringen. Die Farbwahl des Bordeauxviolett bezieht sich auf die Talar- und Symbolfarbe des BGH, wird jedoch durch den Lasurauftrag auf den Sichtbeton davon abweichen und im Gesamten gedeckter sein, an manchen Stellen wie ein weicher Schleier, an anderen stärker hervortretend.
Beurteilung durch das Preisgericht:
Die Jury würdigt den Entwurf als pure und im räumlichen Kontext sehr angemessene künstlerische Arbeit, die viele spannende Assoziationen erzeugt. Die inhaltlichen Bezüge können vom Betrachter gut nachvollzogen werden. Der Umgang mit den Materialien und der sehr gut durchdachte künstlerische Prozess sowie der Einbezug der Säule werden sehr positiv gewertet. Der Entwurf stellt als ganzheitlich konzipiertes Element eine sehr gute Verbindung zur Architektur her. Der Entwurf erhält den 1. Preis und wird zur Realisierung empfohlen.
