Susanne Rottenbacher - "Oskar"
Konzept:
Die Installation „Oskar“ im Treppenhaus von Bauteil B ist eine mehrteilige, an Deckenseilen hängende Lichtskulptur aus zwei länglichen Figuren und sechs runden Kreissegmenten. Sie schraubt sich wie in einem Tanz entlang der Mittelachse des Treppenauges aufwärts. Inhaltlich setzt der Entwurf „Oskar“ den Treppenraum als vertikales Verbindungselement in den Fokus. Er fragt, wie der Raum Menschen beeinflusst und wie Menschen den Raum formen; Mensch und Raum bedingen einander. Die visuelle Bewegungsdynamik aufsteigender Menschen dient als Ausgangspunkt: Die abstrakt geformten Lichtgestalten bewegen sich wie an Vertikalstreifen im Treppenauge auf und abwärts. Die Figuren wirken zeitlos, im Einklang mit Architektur und Umgebung, beleben die starre Struktur. Der reale, sich bewegende menschliche Körper wird umgebildet und offenbart sich in seiner Dynamik als Ausdrucks- und Zeichenträger der Installation „Oskar“. Der Entwurf nimmt seinen namentlichen Ausgangpunkt in der Arbeit des bildenden Künstlers Oskar Schlemmer, wie z.B. dem Triadischen Ballett aus dem Jahr 1922 (Uraufführung) oder seinem Gemälde „Bauhaustreppe“ aus dem Jahr 1932, mithin genau der Zeit, in der das große Treppenhaus,
Bauteil B, entworfen und gebaut wurde. Oskar Schlemmer war von dem Phänomen Raum v.a. unter geometrischen Gesichtspunkten fasziniert und setzte sich zeitlebens mit dem großen Thema „Mensch im Raum“ auseinander. Schlemmer erforschte die mathematische Ordnung bzw. Geometrie, welche nicht nur dem Raum eingeschrieben ist, sondern seiner Überzeugung nach auch dem menschlichen Körper zugrunde liegt. So beispielsweise in den mechanischen, verstandesgelenkten Bewegungen der Tänzer im triadischen Ballett aber auch in den auf geometrischen Formen beruhenden Kostümen. Das Gemälde „Die Bauhaustreppe“ zeigt mehrere stilisiert geometrisch modellierte Personen, die eine ganz ähnliche Treppenanlage hinaufsteigen, zwei Personen steigen herab. Es ergibt sich ein starker Bewegungsfluss aufwärts. Die langjährige künstlerische Arbeit von Oskar Schlemmer im Spannungsfeld von Bewegung und Starrheit gereicht der Installation „Oskar“ als Namensquelle und Inspiration zum Dialog mit der Avantgarde der bauzeitlichen Kunst zugleich. Der künstlerische Entwurf der Installation „Oskar“ nimmt einerseits bewusst Bezug auf die strenge Bauhausarchitektur des Treppenturmes. Geometrische Raumlinien wie das dunkle Geländerprofil, die werksteinsichtigen Treppenläufe und Treppenbrüstungen verleihen dem Treppenhaus eine deutliche, aufstrebende Dynamik sowie die Präsenz einer strengen Ordnung aus Linien und abgerundeten Ecken. Die Figuren der Installation „Oskar“ greifen die Themen Linie und Kurve als Tanz der Zeit spielerisch auf: organisch geformte Figuren folgen strikt einer Art von unsichtbaren senkrechten Geraden in der Raummitte und durchmessen und bespielen so den Raum in seiner gesamten, beeindruckenden Höhe. Jede Etage gewährt individuelle, spezifische Einblicke in das tänzerische Geschehen im Treppen-Inneren.
Bezüglich der Materialität setzt der Entwurf aus Acrylglas und Licht einen klaren Kontrapunkt zur robusten Treppenhausarchitektur aus dem Jahr 1928. Grundsätzlich war Licht ein zentrales und bedeutsames Thema in der Bauhaus-Architektur. Der Einsatz von elektrischem Licht als gestalterisches Element stellte in den 1920er- und 1930er-Jahren eine Innovation dar – insbesondere in seiner Wirkung auf die Architektur und die damit veränderte Wahrnehmung
von Raum und Gebäude. Die Lichtskulptur „Oskar“ inszeniert sich gleich einer kristallin dreidimensionalen Zeichnung im Raum als geschwungene Linien aus geführtem Licht, komponierter Form, Farbe und Projektionen. Die Lichtlinien, deren durchsichtige Plexiglaskonstruktion einen Blick in ihren technischen Aufbau gewährt, stellen mit ihrer ätherischen Stahlkraft einen Kontrast zu ihrer starren Umgebung her und laden ihn atmosphärisch mit Dynamik auf. Die Installation „Oskar“ formuliert damit eine zusätzliche, moderne Stimme im engen formalen Dialog mit der historischen Treppenhaus-Architektur aus dem Jahr 1928. Sie trägt damit zur Charakterisierung des Standortes bei, indem sie mit der Architektur in einen spannungsgeladenen Dialog tritt, welcher das Gebäude künstlerisch akzentuiert und aufwertet. Mit „Oskar“ entfaltet sich an diesem zentralen Ort der Gebäude-Haupterschließung (Büroetagen, Kommunikationsbereiche) das kommunikative Potential von Licht, Form und Farbe als verbindendes Zeichen.
Beurteilung durch das Preisgericht:
Die Installation „Oskar“ wurde positiv hinsichtlich ihrer lebendigen ästhetischen Wirkung aufgenommen. Die nach oben geschraubte Figur reicht mit Unterbrechungen über die ganze Höhe des Treppenhausschachts und erzeugt eine starke und vielschichtige skulpturale Präsenz. Die ist bedingt durch die mit dem Treppenhaus spielende kurvige Form, durch das farbig dichroitische Material des Trägerkörpers und natürlich durch die aktive Lichtwirkung, die nicht nur den Hängeort des Treppenauges, sondern den ganzen Treppenraum bespielt. Die KünstlerInnen sprechen von einem „tänzerischen Geschehen im Treppen-Inneren“. Es ist eine Arbeit, die im Hinauf- oder Hinabschreiten sicherlich sehr komplexe und mit der Bewegung verbundene veränderliche Bilder bei den BeobachterInnen erzeugt.Das Konzept, auch in seiner räumlichen Wirkung der komplexen 3-dimensionalen Form, scheint im Entwurf und der daraus abgeleiteten Wettbewerbsdarstellung bereits gut durchgearbeitet zu sein.Nicht so naheliegend erschien der Jury der Bezug zu Oskar Schlemmer und seiner Arbeit zu sein. Dieser beruht laut Beschreibung allein in der ungefähren zeitlichen Übereinstimmung der Arbeiten Schlemmers und des Entstehungszeitraums des Gebäudes Bauteil B (1). Die von Schlemmers Arbeit „geborgte“ Assoziation zwischen der Bewegung menschlicher Körper und den tänzerischen kurvig- 3-dimensionalen Raumlinien erscheint in der Übertragung auf die vertikale Gestalt nicht unmittelbar plausibel. Leicht kritisch wurde gegenüber der Freiheit der Figur auch die Unbestimmtheit ggf. sogar Beliebigkeit gesehen, die bezüglich der Form, der Materialien und der Lichtwirkung bestehen könnte oder die so verstanden werden könnte.
Innerhalb der Jury wurde die Realisierbarkeit der Installation kritisch diskutiert. Das betrifft zunächst die Herstellung und zu erwartende Verarbeitungsqualität der 3-dimensionalen Körper, die aus flachen Ausschnitten des Macrolon Plattenwerkstoff zusammengesetzt sein sollen. Aus der Perspektive der vermittelten Anmutung der leichten, transparenten und farbig leuchtenden Skulptur bestehen hohe Anforderungen bezüglich der farbigen Beklebung durch dichroitische Folien, bezüglich der Verklebungen bzw. Fügung der Einzelteile und der Ausführung der weiteren Details, z.B. der Seilaufnahme-Punkte, der Montage der LED Lichtschläuche oder der Stromführung. Die dargestellte relativ große Anzahl vertikaler Hängekabel in der Darstellung könnte die frei hinaufschraubende Form ebenfalls schwächen oder konterkarieren.
Visualisierung: Susanne Rottenbacher