Bundesanstalt für Immobilienaufgaben

Thomas Henninger - "Fluidum"

Konzept: 
Die Installation Fluidum besteht aus einer Gruppe scheinbar schwebender, organisch verbundener Volumenkörper – inspiriert von den „Metaballs“, einer geometrischen Form, die in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen zur Darstellung dynamischer Prozesse genutzt werden. Die Körper, gefertigt aus hochpoliertem Edelstahl, reflektieren die Umgebung und lösen sich optisch in ihrer Spiegelung auf. Sie formieren sich in unterschiedlich großen Clustern und verbinden sich zu einem schwebenden Netzwerk über der Grünfläche vor dem Neubau. Zwischen diesen amorphen Körpern tauchen vereinzelt perfekte Kugeln auf – als Essenz der Form, als vollkommene Abstraktion des Moments der Aggregation. Die tragenden Strukturen bleiben durch die Bepflanzung verborgen, sodass die massiven Körper jegliche Schwere verlieren und in eine immaterielle Präsenz überführt werden.

Materialität, Auflösung und das Paradoxon des Schwebens
Das Konzept hinterfragt die Materialität der Skulptur selbst. Metall – ein Inbegriff der Festigkeit, der Masse, der industriellen Formbarkeit – erscheint in dieser Installation entrückt von seiner Schwere. Die scheinbare Schwerelosigkeit der Objekte widerspricht der ihnen innewohnenden physischen Realität und schafft ein Paradoxon zwischen Masse und Leichtigkeit. Diese Auflösung des Materials ins Immaterielle spiegelt eine der zentralen Fragestellungen der Kunst wider: die Entgrenzung des Physischen, die Befreiung der Form von ihrem Trägermedium.

Verbindung zur Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung
Die Installation setzt sich mit den wissenschaftlichen Prozessen auseinander, die an der Bundesanstalt für Materialforschung (BAM) erforscht werden. Die amorphen Cluster verweisen auf molekulare Strukturen, auf Werkstoffverbünde, auf die Unsichtbarkeit von Materialeigenschaften, die erst durch wissenschaftliche Analyse sichtbar gemacht werden.
In der Materialwissenschaft spielen Phasenübergänge, Aggregatzustände und molekulare Kohäsion eine zentrale Rolle – genau wie in dieser Installation, die den Moment der Transformation in eine skulpturale Sprache überträgt. Die metallischen Körper könnten als Momentaufnahme eines Materialzustands gelesen werden, als Darstellung der Kohäsion und Adhäsion, als eingefrorene Bewegung zwischen Trennung und Verbindung.

Zwischen Stofflichkeit und Immateriellem
Das Konzept spielt mit dem Gedanken der Verwandlung: von fest zu flüssig, von getrennt zu vereint, von real zu illusionär. Platonische Körper symbolisieren in der Geometrie eine mathematische Ordnung der Welt, während die amorphe Form der Metaballs eine Dynamik des Unbestimmten, des Werdens und Vergehens darstellt. In dieser Spannung bewegt sich die Installation.
Das Schweben wird hier zum Ausdruck einer Grenzüberschreitung – von der Materie in eine Sphäre der Unfassbarkeit, des Fluiden, des Entgleitenden. Die Reflexionen der Objekte lassen ihre Grenzen verschwimmen, sie lösen sich in Licht und Raum auf. Diese Entkörperlichung verweist auf eine philosophische Fragestellung: Was bleibt, wenn sich die feste Form auflöst? Wo beginnt das Immaterielle, wenn das Physische sich entzieht?
Fluidum ist somit nicht nur eine künstlerische Setzung im Raum, sondern eine Verkörperung von Prozessen, die sich im wissenschaftlichen und philosophischen Diskurs immer wieder neu formulieren. Sie lädt den Betrachter dazu ein, die Grenzen zwischen Materialität und Immateriellem zu hinterfragen und die eigene Wahrnehmung des Physischen neu zu justieren.

Erweiterung Innenraum
Drei Kugeln scheinen durch die Decke des Foyers zu dringen – als würden sie aus dem Raum darüber herabfallen oder im Begriff sein, sich schwebend zu lösen. Ihre Position im Luftraum erzeugt eine stille Spannung zwischen Gewicht und Leichtigkeit. Die Oberfläche der Kugeln reflektiert die Umgebung diffus und integriert damit die Architektur in das Kunstwerk. Am Boden befindet sich eine vierte Kugel. Sie ist nicht fest verankert – ein Element, das sich mit dem Raum verändert. Je nach Situation kann sie ihren Platz verlassen, neu positioniert werden oder an anderer Stelle im Gebäude auftauchen. Ihre stille Wanderschaft setzt subtile Zeichen im Alltag der Institution.

Beurteilung durch das Preisgericht:

Die Jury würdigt das sehr gut durchdachte Konzept, in dem sich der Künstler mit der Aufgabe und der BAM ernsthaft auseinander gesetzt hat. Der Entwurf bietet für die BAM auf unterschiedlichen Ebenen vielfältige Bezüge. Auch die formale Gestaltung und Nutzung der gesamten Grünfläche wird positiv bewertet. Es wird allerdings bezweifelt, ob bei der Umsetzung die Wirkung des Schwebens erhalten bleibt.

Thomas Henninger - "Fluidum"