Hans Peter Kuhn 

Nuancen

Diese beiden Zeilen beinhalten wohl eines der wesentlichen Probleme jeder Kri-minalpolizei: Sagt der Befragte die Wahrheit? Oder fragt der sich selbst – so wie Papageno – „Was werde ich nun sprechen“? Und ist die Wahrheit wirklich die Wahrheit? Kann die Wahrheit auch Verbrechen sein? Wenn in Belarus oder My-anmar die Menschen auf die Straße gehen und die Wahrheit sagen, ist es dann gerade dort eben doch Verbrechen, weil die Herrscher sie so fürchten. Wahr-heit ist ein heikles Thema, es gibt zu viele Wahrheiten, dennoch muss die Polizei natürlich versuchen, die eine Wahrheit zu finden. Aber welche Wahrheit ist das? In dem berühmten Film Rashomon von Akiro Kurasawa gibt es 4 Personen, die Zeugen einer Vergewaltigung und eines Mordes waren aber ihre Aussagen sind alle sehr unterschiedlich. Es ist tragisch, aber die Behauptung, es gäbe nur eine einzige Wahrheit, ist nicht haltbar.

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Diesen Überlegungen folgend will der vorliegende Entwurf diese Problematik visuell umsetzen. Ein gläserner Stab der einer Nadel, einem Pfeil gleich durch den Raum des Foyers sticht, so wie die Kriminalpolizei im Verdachtsfall den Verdäch-tigen durch ihr Leben sticht, um eben diese Wahrheit zu finden, so stößt sie auf Antworten und Reaktionen, die Interpretationen sind oder eventuell auch tat-sächlich Lügen, um sich heraus zu reden. Sie hört Zeugen, die völlig gegensätzli-che Berichte der Ereignisse liefern. Die Menschen sind nicht „präzise“, sie können die Dinge nicht exakt beschreiben. Wenn man 100 Menschen bittet auf einer Farbskala die Coca-Cola Farbe zu zeigen, eine Farbe, die jeder von uns 1000 mal gesehen hat, dann bekommt man 100 Ergebnisse. Kein Mensch kann das, unsere Sinnesorgane sind nicht dafür geschaffen.

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Wo immer der Betrachter in dem Raum steht, sind die Farben des Glasstabes anders, weil er das Sonnenlicht unterschiedlich reflektiert, abhängig vom Blickwinkel. 

Der Blickwinkel bestimmt die Wahrheit des Ereignisses.