Monika Goetz 

Unter der Oberfläche 

Türen stehen sinnbildlich für Schwellen, die man durchschreiten kann um neue Erkenntnisse zu gewinnen, sie können eine Verbindung zu einer anderen Welt darstellen.

Der Kunststandort der Magistrale des Bundeskriminalamts ist gekennzeichnet durch eine Vielzahl an Türen, die vom Flur aus rechts und links in die anschließenden Räume führen. Die geplante Installation „Unter der Oberfläche“ reagiert auf die vorgefundene Architektur und fügt ihr weitere Ebenen hinzu.

Ähnlich der kriminalpolizeilichen Arbeit, bei der recherchiert wird, man tief in die Materie eindringt um Tatbeständen und Straftaten auf den Grund zu gehen, oder sie präventiv zu vermeiden, plane ich mit der künstlerischen Intervention unter die Oberfläche zu schauen, den Dingen auf den Grund zu gehen.

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Für die Magistrale schlage ich vor zusätzliche Elemente einzubauen, die in ihrer Form und Dimension an Türen erinnern. Diese werden in die Wände integriert, deren genauen Maße (Höhe, Breite) beziehen sich konkret auf vor Ort vorhandene Türen. Man kann diese neu eingebauten Elemente jedoch weder öffnen noch durchschreiten, vielmehr konfrontieren sie die Personen, die vor ihnen stehen oder an ihnen vorbeilaufen, mit Fragen nach dem was man wirklich sieht, wirklich versteht, wirklich durchdringt.

Für die Einbauten kommen zwei unterschiedliche Techniken zum Einsatz, die sich in ihrer Ästhetik und Inhaltlichkeit ergänzen: geätzter/sandgestrahlter Spiegel und dimmbares, schaltbares Verbundglas.

Geätzter und sandgestrahlter Spiegel:

Diese werden an den seitlichen Wänden im Flur installiert, sowie im Bereich der Kommunikationsbereiche. In ihrer Proportionierung sind sie an existierende, benachbarte Türen angelehnt. Die Oberflächen der Spiegel sind mechanisch (feines Sandstrahlen) und chemisch (Ätzbad) behandelt, so dass man kein normales Spiegelbild seiner selbst und des umgebenden Raumes wahrnimmt, sondern die Reflexion ist schemenhaft. Bei Personen sieht man die Silhouette des Körper, kann jedoch keine klaren Konturen ausmachen. Tritt man näher an den Spiegel heran, so gewinnt das Abbild zwar zunehmend an Schärfe, es wird aber nie ganz scharf.

Vorgesehen ist, dass jeder künstlerisch bearbeitete eingebaute Spiegel einen anderen Grad an Schärfe/Unschärfe besitzt, d.h. die Sandstrahlung ist z.B. feiner/intensiver und/oder der Spiegel ist kürzer/länger im Ätzbad. Läuft man durch die Gänge, so erzeugt jeder dieser behandelten Spiegel sein ganz eigenes Spiegelbild. Jeder ist ein Unikat.

Zur Standortwahl: die Arbeit soll im Vorbeigehen erfahren werden, daher sind hier seitliche Wände im Flur ausgewählt. Man geht an den geätzten Spiegeln vorbei und bemerkt eine Silhouette, die sich mitbewegt. Erst beim näheren Hinsehen erkennt man, dass es eigentlich das eigene Spiegelbild ist, wenn auch verfremdet. Egal wie nah man herantritt, es wird nie ganz scharf. Um ein wirklich scharfes Abbild zu erreichen, müsste man gefühlt hinter den Spiegel gelangen.

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Schaltbares Glas:

Schaltbares Glas kann zwischen transparent und intransparent wechseln. Die dafür benötigte Energie (3 Watt pro m²) wird über zwei Kontakte (Strom) an die Scheibe geleitet. Für das BKA werden spezielle Verbundscheiben hergestellt, bei denen dimmbares, schaltbares Glas mit einem Spiegel (Rückseite) zusammen laminiert wird.

Im intransparenten Zustand sieht man eine helle weiß-gelbliche Glasscheibe, in deren gläserner Oberfläche man sich ganz leicht reflektiert. Über einen Bewegungsmelder wird der Dimm-Prozess aktiviert, so dass sich die Scheibe langsam von intransparent auf transparent umstellt, sobald eine Person in der Nähe ist. Die Dauer des Dimm-Prozesses ist für jede der vier eingebauten schaltbaren Verbundgläser leicht unterschiedlich (ca. 2-8 Sekunden). Sobald die Scheibe transparent ist (80 % Lichtdurchlässigkeit), kann mein sein eigenes Spiegelbild und die reflektierte Umgebung im Spiegel erkennen. Dann wird die Scheibe langsam wieder intransparent, bis die nächste Person den Bewegungsmelder auslöst (Betrieb 24/7).

Zur Standortwahl: hier sind bewusst Standorte ausgewählt, bei denen man auf das Glas frontal zuläuft. Es sind jeweils die Eckpunkte der Flurbereiche. Läuft man den Flur entlang, bewegt man sich geradeaus zu auf das schaltbare Glas. Sobald man in den Bereich gelangt, auf den der Bewegungsmelder ausgerichtet ist, beginnt der Prozess des langsamen Umschaltens, von intransparenter, heller Scheibe, zu transparentem Glas mit Blick auf den dahinter liegenden Spiegel.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Spiegel haben einen interessanten Effekt und fügen sich sehr spannend in das Raumgefüge ein. Sie erweitern den Raum und schaffen zusätzliche Blickachsen. Es wird eine sich wiederholende Begegnung mit der Arbeit und dem Betrachtenden erzeugt. Die Spiegel in Türgröße spielen mit der Örtlichkeit. Es erschließt sich nicht, warum nur vier der fünfzehn Spiegel aktiv sind.

Die Positionierung an dem als Arbeitsbereich ausgeschlossenen Lamellen-Raumteiler wird vom Preisgericht problematisiert. Das interaktive Spiel über die gesamte Magistrale hingegen wird als Qualität hervorgehoben. Dass sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Magistrale immer wieder selbst begegnen, wird als anregendes Spiel bewertet.

Die Menge der Spiegel im Raum könnte dem schmalen architektonischen Bereich gut-tun. Andererseits besteht im Preisgericht die Unsicherheit, dass sich der Umschalteffekt bei häufiger Nutzung in der Alltagswelt verlieren könnte.