Sonja Vordermaier - "IVIAN & KYRILL"
Konzept:
Auf der kleinen Wiese gegenüber des Kopernikus-Raums (Kunststandort 2) umgeben von Bäumen steht ein über 3m hohes, silbrig-graues Gebilde. Die aus dem Boden herausbrechenden, diagonal emporstrebenden zahlreichen Spitzen entziehen sich einer klaren Form und inhaltlichen Zuordnung. Assoziationen von einem Eisberg, einer gotischen Kathedrale, aber auch von großen Termitenbauten oder einem überdimensionalen Gestein kommen auf. Die dynamisch aufstrebende Skulptur fügt sich im Sinne landschaftsgestalterischer Prinzipien zwischen Bäume, Rasen und Gebäude ein. Licht und Schatten fallen durch die einzelnen Spitzen und kreieren einen idyllischen Anblick – sowohl von Seiten des Geländes des EZMW, als auch vom angrenzenden Radweg hinter der Bezäunung.
Bei näherem Hinsehen kann man auf der Oberfläche der Skulptur erkennen, dass die ursprüngliche Formgebung nicht von einem Gebilde aus der Natur zu stammen scheint, sondern einem digitalen Datensatz entspringen muss, da polygonale Muster die Zacken-Formation durchziehen. Ausserdem wird die Materialität der Skulptur von vielen horizontalen Zeilen durchwirkt: Es handelt sich um die Aufbautechnik eines grossformatigen 3D-Prints.
Steigt man innerhalb des angrenzenden Gebäudeturms Stockwerk um Stockwerk höher, beginnt sich eine Struktur in der Sicht von oben zu offenbaren, die erst im elften Stockwerk aus dem Wintergarten (siehe Simulation Nr x1 und Blickachse Simulation Nr x2) vollständig erkennbar wird:
Die meterologische Grafik von Orkanen tritt deutlich hervor, das in Hell- und Dunkeltönen wie ein Druckbild durch die Höhen und Tiefen innerhalb der Skulptur wiedergegeben ist. Es handelt sich hierbei um eine exakte Übersetzung der Karten von „Kyrill" ( 2007) und „Vivian“ (1990). Das dreidimensionale,
skulpturale Gebilde wurde aus der sogenannten „jpg to stl“-Transformations-App gewonnen (siehe Bild Wettergrafik Kyrill), in der Bilddaten in eine 3D-Geometrie übersetzt und dann im gängigen stl-Dateiformat gespeichert werden.
Beurteilung durch das Preisgericht:
Der Entwurf Vivian & Kyrill verdichtet die meteorologische Grafik zweier Orkane zu einer komplexen Plastik. Deren von Unregelmäßigkeiten geprägte zackige Form entzieht sich einer einfachen Zuordnung und eindeutigen Lesbarkeit. Das Assoziationsspektrum reicht von einem Eisberg über gotische Architekturen hin zu einem Termitenbau. Bei der Betrachtung der Plastik aus höheren Etagen des Gebäudes wird die Linienstruktur der Karten der Orkane Vivian (1990) und Kyrill (2006) sichtbar, auf deren Basis mit Hilfe einer Transformations-App die plastische Form im 3D-Print-Verfahren generiert wird. Dabei wirkt es aus dieser erhöhten Perspektive so, als sei das Gebilde in den Boden versunken. Das Preisgericht würdigt ausdrücklich dieses Überraschungs- und Kippmoment bei wechselnder Perspektive. Auch wird die kontrapunktische Spannung zwischen der polygonalen Plastik und der Architektur positiv hervorgehoben. In Hinblick auf den EZMW-Standort in Bologna begrüßt die Nutzerseite den Umstand, dass – vom Modelling bis zur Montage – alle Arbeitsprozesse des Werkes von der italienischen Firma WASP ausgeführt würden. Diskutiert wurde die Farbigkeit; bzw. dass ein anderer Farbton der Plastik den Eindruck der im Modell erzeugten
metallisch kristallischen Klarheit beeinträchtigen könnte. Auch eine zumutbare Pflegbarkeit der Plastik hinsichtlich der Wasserabflüsse und Laubabfälle wurde
angesprochen. Vivian & Kyrill bezieht sich inhaltlich-thematisch nicht explizit und ausschließlich auf das Wetter und das EZMW. Dennoch war die Jury einhellig angetan von der formalen ästhetischen Erscheinung, der Eigenständigkeit und Originalität der Plastik sowie von deren Gedankenbreite und Einbindung in den Naturkreislauf.
Visualisierung: Sonja Vordermaier