Tobias Hantmann

Die Spur einer Linie führt durch die Magistrale. Bei meinem Entwerfen beschäftigte mich vor allem der Charakter dieses Gebäudeteils – seine Funktion und besonders seine Energie. Ein Gang ist ein Ort des Transits, ein Ort der Verteilung – Türen gehen in Räume ab. Zugleich ist es ein Ort des Treffens, des Austauschs, vielleicht des Wartens und Verweilens.

Das Gefühl am Ort der verbindet zu sein, bedeutete für mich beim Entwerfen, die Länge der Magistrale zu betonen. Man könnte denken, dass ein deutliches Bewusstsein für das Langgestreckte gegen ein Wohlfühlen an Ort und Stelle (an der man steht) gerichtet ist, aber ich denke, es ist die Energie des In-Verbindung-Seins, das diesen Ort positiv besetzt und dort immer mitschwingt.

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Wenn ich an lang gestreckte Architekturen oder Gebautes denke, kommen mir Bilder von Brücken und Zäunen, von Handläufen und fensterlosen Wandoberflächen in den Sinn. Wer hat nicht als Kind mit Berührung auf dieses „Lange“ reagiert? Die Finger streifen das Geländer entlang, ein Stock entlockt dem Zaun rhythmisches Klappern.

Als Kind ist die instinktiv körperliche Verbindung zu Umfeld und Raum noch ungebremst.

Mit meinem Entwurf versuche ich, an diesen ungebremst spielerischen Impuls wieder anzudocken.

Die Hand streift die Schneeoberfläche und hinterlässt eine Spur. Der Finger gleitet an der beschlagenen Fensterfront entlang. Da wo Metallstreben die Oberfläche unterbrechen, hebt sich die Hand und kehrt danach zur Berührung zurück. Es ist ein Spiel, ein Spaß, diese feuchte oder staubige, diese gummiartige oder glatte, diese von der Sonne erwärmte oder kalte Oberfläche zu spüren. Wie schön, sich dann auch noch in sie einzuschreiben, eine Spur hinterlassen zu können.

Die taktile Verbindung zu umliegenden Oberflächen spielt beim sinnlichen Erleben von Architektur eine, wenn nicht die entscheidenen Rolle. Neben der Erfahrung eines strukturierten Raums und der Choreografie des Lichts ist die körperliche Verbindung sicher der primäre Bezug und wesentlich, bestimmend für das Wohlgefühl.

Die an der Decke montierten Panels aus Aluminium bergen, durch Acrylglashauben schützend, eine mit Hand und Fingern in die weiche Oberfläche von Veloursteppichen gestrichene, gestreichelte Spur. Die Spur ist dem Material eingeschrieben, kein weiteres Material wird aufgetragen. Die seidige Oberfläche des Teppichs reflektiert das Licht. Dabei verschattet und verdunkelt der aufgestellte Flor die Fasern, während der glatt gestrichene Flor das Licht hell zurückwirft. Diese textilen Reliefs reagieren auf Blickrichtung und Beleuchtungssituation. Von verschiedenen Seiten einfallendes Licht, lässt die Spur changieren, einmal blasser oder sehr deutlich hervortreten.

Die Spur wird stellenweise stark als plastische Einschreibung sichtbar, dann wieder wird sie wie eine malerische Spur, wie eine gezeichnete Linie wirken.#

Je nachdem von welcher Seite man die Magistrale abgeht, werden sich auch positiv-negativ Effekte in den Bildern an der Decke einstellen: wie man sie eher aus der Fotografie kennt. Eine dunkle Linie auf hellem Fond, dann eine helle Spur auf dunklerem Untergrund.

Die Einfachheit dieser Geste und der direkte Nachvollzug ist Kern dieses Konzepts.

Ich habe über viele Jahre Erfahrung mit Veloursoberflächen gesammelt und mit deren Inszenierung und materiellen Eigenheiten experimentiert. Obwohl die der Oberfläche eingeschriebene Spur leicht und fast ephemer wirkt, weiß ich aus Erfahrung von der völlig überraschende Stabilität dieser Einschreibungen. Vor Berührung und Staub geschützt, ist die mechanische Spur im Flor unbegrenzt haltbar.

Es ist keine Wartung jenseits der üblichen Reinigung wie bei allen anderen Innenraumoberflächen nötig, wobei diese an der Decke zusätzlich minimal ausfallen wird, da sich dort kaum Schmutz ansammelt.

Aluminium und Acrylglas reflektieren Licht und verstärken den Wirkungsgrad der Deckenleuchten und des durch die Fenster einfallenden Lichts eher, als dass sie dieses schlucken.

Es findet beim Betrachten eine Sensibilisierung statt.

Es gibt ein harmonisches Verhältnis der einzelnen Segmente, also der konservierten Spur im einzelnen Panel, und der großen Form, des Gesamtzusammenhangs.

Bisher habe ich die Farbgestaltung offen gehalten, und zwar gerade weil ich Farbe keineswegs unterschätze. Farbe ist physisch und psychisch so bedeutend, dass eine Wirkung wohl erst nach der Fertigstellung des Gebäudes einschätzbar wird. Farbe ist extrem abhängig von den sie umgebenden Farben. Ich stelle daher diesen Aspekt zurück und schlage vor, diese Entscheidung gemeinsam mit den Architekt*innen und dem BKA und der Bauleitung vor Ort zu treffen.

Die stofflich-taktile Ebene ist die dominante bei meinem Entwurf. Die Farbe der Veloursoberflächen kann abhängig von den vorherrschenden Rahmenbedingungen getroffen werden – je nachdem was notwendig ist. Zum Beispiel kann es bei unruhiger Umgebung gerade gut sein, wenn die Arbeit zurücktritt und so ganz ihre sensitive Seite ausspielen kann. Sollte aber deutlich werden, dass ein warmer Ton oder eine fast signalhafte Wirkung der Atmosphäre zuträglich sind, kann mit einer warmen bzw. leuchtenden Farbe reagiert werden. Mein Konzept sieht den Einsatz eines einzelnen Farbtons vor, der alle Gänge und Räume durchdringt und damit verbindet.

Zum Schluss möchte ich noch auf die möglichen inhaltlichen Implikationen und thematische Verbindungen dieses Entwurfs zum BKA eingehen.

So direkt Bild und Körperlichkeit dieser künstlerischen Intervention sind, so direkt ist vielleicht auch die begriffliche Assoziation:

Spur und Spurensuche. Nachvollzug eines (Tat-)Hergangs. Abdruck, Oberflächen, Spurensicherung.

Container, Vitrinen, Asservatenkammern.

Die Ausstellung eines (Vor)gangs. Die Inszenierung einer Berührung.

Daktyluskopie, SpuSi, Sicherheitstechnik, Sachbeweis, Observation.

Und dabei zugleich die Hand, die hier nicht Tisch und Wände, sondern die eigentlich unerreichbare Decke beschmiert, berührt.

Kindlicher Übermut, ein Spiel.